Scholz: Für Deutschland war es ein tiefgreifender Kurswechsel, als ich angekündigt habe, Waffen in dieses Kriegsgebiet zu liefern. Das möchte ich festhalten. Viele, die diesen Schritt früher kategorisch abgelehnt haben, überbieten sich jetzt mit Forderungen, noch viel mehr zu liefern – ohne die genaue Sachlage zu kennen. Das nehme ich zur Kenntnis. Aber in dieser Lage braucht es einen kühlen Kopf und gut abgewogene Entscheidungen, denn unser Land trägt Verantwortung für Frieden und Sicherheit in ganz Europa. Ich halte es nicht für gerechtfertigt, dass Deutschland und die Nato Kriegsparteien in der Ukraine werden. SPIEGEL: Das fordert Kiew gar nicht, man bittet verzweifelt um Waffen. Wovor haben Sie Angst? Scholz: Noch mal: Wir liefern Waffen, und viele unserer Verbündeten tun es auch. Es geht doch nicht um Angst, sondern um politische Verantwortung. Eine Flugverbotszone einzuführen, wie gefordert wurde, hätte die Nato zur Kriegspartei gemacht. Ich habe einen Amtseid geschworen. Ich habe sehr früh gesagt, dass wir alles tun müssen, um eine direkte militärische Konfrontation zwischen der Nato und einer hochgerüsteten Supermacht wie Russland, einer Nuklearmacht, zu vermeiden. Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt. Es darf keinen Atomkrieg geben. SPIEGEL: Was lässt Sie denken, dass Panzerlieferungen aus Deutschland diese furchtbaren Konsequenzen hätten? Scholz: Es gibt kein Lehrbuch für diese Situation, in dem man nachlesen könnte, ab welchem Punkt wir als Kriegspartei wahrgenommen werden. Das Buch wird täglich neu geschrieben, manche Lektionen liegen noch vor uns. Umso wichtiger ist es, dass wir jeden unserer Schritte genau überlegen und eng miteinander abstimmen. Eine Eskalation in Richtung Nato zu vermeiden, hat für mich höchste Priorität. Deshalb schiele ich nicht auf Umfragewerte oder lasse mich von schrillen Rufen irritieren. Die Konsequenzen eines Fehlers wären dramatisch.
Robert J. Goldston: Der Tag nach dem Ukraine-Krieg
Der Astrophysiker Robert Goldston, Experte im Bereich von Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung und von 997 bis 2009 Direktor des mit Atomwaffenentwicklung befassten Princeton Plasma Physics Laboratory des US Energy Department, hat im Bulletin of Atomic Scientists einen Artikel über den "Tag nach dem Ukraine-Krieg" veröffentlicht. Hier einige seiner Argumente und Vorschläge:
Hilfe für die Opfer des Krieges in der Ukraine – und wie jeder persönlich helfen kann.
Der Rundfunksender RBB hat eine Liste von Möglichkeiten zur Unterstützung von solidarischer Hilfe für die Menschen in der Ukraine zusammengestellt: Jeder kann helfen! Hier ein Überblick:
USA: Internationaler Aufruf von Wissenschaftlern und Diplomaten – FRIEDEN AUSHANDELN JETZT!
Internationale Friedens- und Konfliktforscher sowie Praktiker der Außenpolitik trafen sich am 22. März 2022 in der Forschungseinrichtung Point of View der im Jimmy und Rosalynn Carter School in Mason Neck / Virginia und formulierten den folgenden Appell an die Konfliktparteien in der Ukraine:
Alle an diesem Konfliktparteien leiden unter diesem Konflikt. Die Kosten an Menschenleben und Leiden wachsen täglich, und die schädigenden Auswirkungen des Konflikts machen sich überall auf der Welt breit. Es ist höchste Zeit, dass sich die Parteien auf eine sofortige und vollständige Einstellung der Feindseligkeiten einigen. Die Fortsetzung der gewaltsamen Auseinandersetzung vervielfacht unweigerlich die Zerstörungen und birgt ein zunehmend die Gefahr des Einsatzes von Atomwaffen oder anderen Massenvernichtungswaffen. Gemeinsam mit dem UN-Generalsekretär meinen wir, dass jetzt die Bedingungen für die Aushandlung eines für alle Parteien akzeptablen Abkommens gegeben sind. Die Parteien sollten sich daher ohne Vorbedingungen an die Aushandlung eines umfassenden Friedensabkommens machen.
IFSH – Infos zum russischen Angriff auf die Ukraine
Die Friedensforschung ist gefragt, zur Rückkehr zu und Rückbesinnung auf Frieden und Sicherheit in Europa beizutragen. Das Hamburger Institut für Friedens- und Sicherheitspolitik (IFSH) hat einige Kurzanalysen und Medienbeiträge von Wissenschaftlern des Instituts zusammengestellt, unter anderem: Nukleare Gefahr des Kriegs in der Ukraine? Interview mit The Irish Times Im Interview mit der The Irish Times spricht Dr. Ulrich Kühn über die nukleare Gefahr des Kriegs in der Ukraine und das Agieren des russischen Präsidenten. Putins Rationalität sei schwer einzuschätzen… mehr Kalter Krieg damals - und heute? Essay auf ndr.de Dr. Ulrich Kühn blickt in seinem auf NDR.de veröffentlichtem Essay auf die Geschichte des Kalten Krieges und der nuklearen Abschreckung zurück. Aktuell sei zu befürchten, dass sich ein zweiter Kalter entfalten könnte, der die notwendigen gemeinsamen Anstrengungen zur Bewältigung globaler Krisen wie dem Klimawandel um Jahrzehnte nach hinten werfen könnte…
Michael von der Schulenburg: Wir brauchen jetzt Frieden in der Ukraine – Sonst könnte es bald zu spät dafür sein
Der Krieg geht in die vierte Woche – und wie alle Kriege läuft er für niemanden gut. ... Dieser Krieg könnte viel schlimmer werden, vor allem für die Ukrainer, die mit ihrem Blut bezahlen. Aber dieser Krieg könnte, wie ich meine, für uns alle noch viel schlimmer werden. ....Die Verschärfung des Krieges in der Ukraine kommt zu einem denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Fast alle Rüstungskontroll- und vertrauensbildenden Verträge, die gegen Ende des Kalten Krieges mit Russland ausgearbeitet wurden, sind entweder gekündigt oder nicht verlängert worden. .... Mit aller Besonnenheit sollten alle Seiten darauf hinarbeiten, den Krieg in der Ukraine so schnell wie möglich zu beenden. Und wenn es noch so etwas wie einen Funken Verstand gibt, sollten man nicht nur eine vorübergehende Lösung anstreben, sondern nach einer umfassenden Friedensregelung suchen. Es ist noch nicht zu spät, diesen Krieg zu beenden, bevor er völlig aus dem Ruder läuft.
Kommentar: “Russland hat weit über seiner Gewichtsklasse geboxt und wurde entlarvt”
..unter diesem Titel hat Sverre Lodgaard, Rüstungskontrollexperte und ehemaliger Direktor des norwegischen außenpolitischen Forschungsinstituts NUPI, Putins Angriff auf die Ukraine analysiert: Der Krieg in der Ukraine geht für die Russen sehr langsam voran. Nicht nur wegen des starken Widerstands der Ukrainer, sondern auch wegen der offenkundig großen Schwächen des russischen Militärs. Der russische Feldzug korrigiert das Bild, das viele von Russlands Militärmacht gehabt haben. Russlands Verteidigungshaushalt betrug laut SIPRI-Jahrbuch im Jahr 2020 62 Milliarden US $. Ein Großteil davon fließt in Atomwaffen. Was für die konventionellen Streitkräfte übrig bleibt, ist daher bescheiden. Das russische Brutto-Sozialprodukt, das die Streitkräfte finanziert, ist ebenfalls bescheiden, auf gleicher Höhe wie Spanien. Der Krieg ist zu einem Belastungstest für die russische Verteidigung geworden, und es ist verlockend, dem Ergebnis die Note "nicht bestanden" zu geben. Aber vielleicht ist es genauer, zu sagen, dass die Schwächen die tatsächlich bereitgestellten Ressourcen widerspiegeln.
Jeffrey Sachs: Diplomatie bleibt die einzige Option für die Ukraine
Am 9. März 2022 veröffentliche JEFFREY D. SACHS folgenden Beitrag für "Project Syndikate", um zu erläutern, warum im Atomzeitalter "der Kompromiss die einzige sichere Option" zur Beendigung von Konflikten mit einer Atommacht ist. Wir danken Jeffrey Sachs für die Erlaubnis, diesen Beitrag in deutscher Übersetzung zu veröffentlichen.
Obwohl Wladimir Putins perfider Krieg gegen die Ukraine Amerika und seine Verbündeten hinter dem Ziel vereint hat, die russische Wirtschaft zu zerschlagen, gibt es keinen guten Grund zu glauben, dass Gerechtigkeit dem Blutvergießen ein Ende bereiten wird. Die Geschichte der Konflikte im Atomzeitalter lehrt uns, dass der Kompromiss die einzige sichere Option ist. … Sicherlich passt ein diplomatischer Kompromiss nicht zur derzeitigen Stimmung. Die Welt ist entsetzt über die Perfidie Russlands und beeindruckt vom heldenhaften Widerstand des ukrainischen Volkes. Doch das Überleben der Ukraine (und möglicherweise sogar der Welt) hängt letztlich davon ab, dass die Vorsicht vor dem redlichen Heldenmut die Oberhand gewinnt. Die Ukraine fordert mehr Kampfflugzeuge, mehr schwere Waffen und eine NATO-Flugverbotszone. Jeder dieser Schritte würde das Risiko einer direkten Konfrontation zwischen Russland und der NATO erhöhen, die schnell zu einem nuklearen Showdown eskalieren könnte.
Katrina Vanden Heuvel in der Washington Post: Wie man einen neuen Kalten Krieg vermeiden kann und was Amerika wirklich braucht
In einer Kolumne für die Washington Post schrieb Am 22. März 2022 schrieb Katrina vanden Heuvel folgenden Appell an die US-Amerikaner, der sich eigentlich auch an uns in Deutschland und Europa richtet. Wir danken der Autorin für die Freigabe der deutschen Fassung ihres Textes: Wie man einen neuen Kalten Krieg vermeiden und sich auf das konzentrieren kann, was Amerika wirklich braucht Mit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch in die Ukraine hat der russische Präsident Wladimir Putin die Ära nach dem Kalten Krieg in die Luft gesprengt. Die vermeintliche Pax Americana der letzten drei Jahrzehnte - die viel zu wenig "Pax" beinhaltete - ist vorbei. Was als Nächstes kommt, ist noch unklar, und es besteht ein starker Kontrast zwischen dem, was möglich ist, und dem, was wahrscheinlich folgen wird. Ist ein neuer und gefährlicherer, militarisierter Kalter Krieg unvermeidlich? Oder ist eine andere Welt der gegenseitigen, geneinsamen Sicherheit noch denkbar?
Reuters: USA können sich auf zwei Schauplätze konzentrieren – Indopazifik und Krieg in Europa, sagt ein Beamter
Unter diesem Titel berichtete Reuters aus WASHINGTON am 28. Februar 2022 über die Fähigkeit der USA zur Bewältigung von Konflikten in zwei Weltregionen. Die Vereinigten Staaten werden sich trotz der Ukraine-Krise weiterhin auf den Indopazifik konzentrieren, sagte der Koordinator für Indopazifik-Politik des Weißen Hauses am Montag und fügte hinzu, Washington sei bereits zuvor intensiv an zwei Schauplätzen gleichzeitig beteiligt gewesen, auch während des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Krieges.