Vor vierzig Jahren, am 12. Juni 1982, versammelten sich eine Million Menschen im Central Park in New York und demonstrierten für die Beendigung des atomaren Wettrüstens. So etwas hatte es noch nie gegeben - es war nicht nur die größte Demonstration gegen Atomwaffen, sondern auch die größte politische Demonstration in der Geschichte der USA. ... Heute, vierzig Jahre danach, ist die Atomkriegsgefahr so groß wie noch nie seit der Kubakrise 1962. Wenn der brutale Krieg in der Ukraine nicht bald durch einen Waffenstillstand und eine politisch-diplomatische Lösung beendet wird, die die Sicherheit und Souveränität der Ukraine gewährleistet, kann die weitere Eskalation des Krieges zum Einsatz von Atomwaffen führen, sei es mit Absicht oder "versehentlich", sei es durch uns oder durch Russland. Trotz dieser akuten Gefahren leben wir mit verbreiteten Unwissen über die Atomkriegsgefahren.
“Vierzig Jahre nach ‘The Day After’ – Atomkriegsgefahr heute?”
am Dienstag, den 14. Juni 2022 ab ab 23:00 Uhr MEZ (17:00 New Yorker Zeit) veranstalten das Quincy Institute, The Intercept und die Wochenzeitung The Nation eine Web-Diskussion über die Atomkriegsgefahren seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und Putins nuklearen Drohunggebärden. Rund vier Monate nach Beginn des Krieges machen rund 70 Prozent der US-Bevölkerung ernste Sorgen über die Gefahr eines Atomkrieges - ein Ausmaß an Besorgnis, das seit Ende des Kalten Krieges nie so hoch war. Sie war ähnlich hoch 1982/83, als der Film "The Day After" von fast allen Erwachsenen in den USA gesehen wurde und sogar US-Präsident Reagan beeindruckte. Über die Hintergründe und Wirkungen des Films "The Day After" und die heutige Bedrohungslage diskutieren Katrina vanden Heuvel, Herausgeberin von The Nation, die Atomwaffenexpertin Professor Sharon K. Weiner und der Regisseur Jeff Daniels an dieser im Internet übertragenen Diskussion.
Jeffrey Sachs: Verhandeln statt Zermürbungskrieg in der Ukraine
In den Medien der USA melden sich vermehrt Stimmen, die vor einer Fortsetzung der seit einigen Wochen geänderten Strategie warnen, auf "Sieg" zu setzen. Am 11. Mai veröffentlichte die New York Times einen Artikel Amerika und seine Verbündeten wollen Russland ausbluten. Sie sollten das wirklich nicht: "Die westliche Unterstützung der Ukraine diente zunächst vor allem der Abwehr der Invasion. Sie verfolgt nun einen viel weiter gehenden Anspruch: Russland selbst zu schwächen." Auch die TAZ forderte in einem Leitartikel "Die Ukraine muss gewinnen". NTV berichtete, "Das neue Kriegsziel heißt 'Sieg der Ukraine'; zwar gebe es "In der Bundesregierung Zweifel, ob das realistisch ist", aber Außenministerin Baerbock setze auf Sieg mit russischem Abzug aus "der 2014 annektierten Halbinsel Krim".
Im Unterschied dazu erklärte sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj «viel vorsichtiger. "Das Minimum ist, unsere Gebiete mit dem Stand vom 23. Februar wiederzubekommen", sagte er in einer Video-Schalte beim Thinktank Chatham House mit Blick auf den Start der Invasion am 24. Februar. Das würde etwa die Halbinsel Krim ausklammern», berichtete NTV. Am 10. Mai berichtete The Guardian zufolge, Selenskyj wolle die seit dem 29. März abgebrochenen direkten Gespräche mit Russland wieder aufzunehmen: "Als Präsident bin ich bereit, mit Putin zu sprechen, aber nur mit ihm. Ohne einen seiner Vermittler. Und im Rahmen des Dialogs, nicht der Ultimaten." Und er verlangte als Voraussetzung für Friedensverhandlungen von Putin nicht die Rückgabe der 2014 annektierten Krim, sondern: "verlassen Sie das Gebiet, das Sie seit dem 24. Februar besetzt halten". Am 10. Mai 2022 hatte sich Jeffrey Sachs erneut mit einem mahnenden Beitrag zu Wort gemeldet - der offenbar im Interesse einer internationalen Verbreitung auch in deutscher, russischer und chinesischer Sprache veröffentlicht wurde:
Jeffrey D. Sachs: Auf den Krieg in der Ukraine gibt es nur eine Antwort – ein Friedensabkommen!
Prof. Jeffrey D. Sachs, u.a. Sonderberater des UN-Generalsekretärs und Präsident des UN Sustainable Development Solutions Network, hat gegenüber CNN seine Einschätzung zu den Vorstellungen von einem militärischen "Sieg" im Ukraine-Krieg gegeben. Wir danken Jeffrey Sachs für das Einverständnis, seinen ins Deutsche übersetzten Beitrag auf unserer Website zu veröffentlichen:
Robert J. Goldston: Der Tag nach dem Ukraine-Krieg
Der Astrophysiker Robert Goldston, Experte im Bereich von Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung und von 997 bis 2009 Direktor des mit Atomwaffenentwicklung befassten Princeton Plasma Physics Laboratory des US Energy Department, hat im Bulletin of Atomic Scientists einen Artikel über den "Tag nach dem Ukraine-Krieg" veröffentlicht. Hier einige seiner Argumente und Vorschläge:
USA: Internationaler Aufruf von Wissenschaftlern und Diplomaten – FRIEDEN AUSHANDELN JETZT!
Internationale Friedens- und Konfliktforscher sowie Praktiker der Außenpolitik trafen sich am 22. März 2022 in der Forschungseinrichtung Point of View der im Jimmy und Rosalynn Carter School in Mason Neck / Virginia und formulierten den folgenden Appell an die Konfliktparteien in der Ukraine:
Alle an diesem Konfliktparteien leiden unter diesem Konflikt. Die Kosten an Menschenleben und Leiden wachsen täglich, und die schädigenden Auswirkungen des Konflikts machen sich überall auf der Welt breit. Es ist höchste Zeit, dass sich die Parteien auf eine sofortige und vollständige Einstellung der Feindseligkeiten einigen. Die Fortsetzung der gewaltsamen Auseinandersetzung vervielfacht unweigerlich die Zerstörungen und birgt ein zunehmend die Gefahr des Einsatzes von Atomwaffen oder anderen Massenvernichtungswaffen. Gemeinsam mit dem UN-Generalsekretär meinen wir, dass jetzt die Bedingungen für die Aushandlung eines für alle Parteien akzeptablen Abkommens gegeben sind. Die Parteien sollten sich daher ohne Vorbedingungen an die Aushandlung eines umfassenden Friedensabkommens machen.
Jeffrey Sachs: Diplomatie bleibt die einzige Option für die Ukraine
Am 9. März 2022 veröffentliche JEFFREY D. SACHS folgenden Beitrag für "Project Syndikate", um zu erläutern, warum im Atomzeitalter "der Kompromiss die einzige sichere Option" zur Beendigung von Konflikten mit einer Atommacht ist. Wir danken Jeffrey Sachs für die Erlaubnis, diesen Beitrag in deutscher Übersetzung zu veröffentlichen.
Obwohl Wladimir Putins perfider Krieg gegen die Ukraine Amerika und seine Verbündeten hinter dem Ziel vereint hat, die russische Wirtschaft zu zerschlagen, gibt es keinen guten Grund zu glauben, dass Gerechtigkeit dem Blutvergießen ein Ende bereiten wird. Die Geschichte der Konflikte im Atomzeitalter lehrt uns, dass der Kompromiss die einzige sichere Option ist. … Sicherlich passt ein diplomatischer Kompromiss nicht zur derzeitigen Stimmung. Die Welt ist entsetzt über die Perfidie Russlands und beeindruckt vom heldenhaften Widerstand des ukrainischen Volkes. Doch das Überleben der Ukraine (und möglicherweise sogar der Welt) hängt letztlich davon ab, dass die Vorsicht vor dem redlichen Heldenmut die Oberhand gewinnt. Die Ukraine fordert mehr Kampfflugzeuge, mehr schwere Waffen und eine NATO-Flugverbotszone. Jeder dieser Schritte würde das Risiko einer direkten Konfrontation zwischen Russland und der NATO erhöhen, die schnell zu einem nuklearen Showdown eskalieren könnte.
Informelle Regeln, um den Übergang zum Krieg zwischen NATO und Russland zu vermeiden
Steven Pifer schrieb im Bulletin of Atomic Scientists am 14. März 2022 u.a.:
Während sich die Vereinigten Staaten
Jeffrey Sachs: So lässt sich die Souveränität der Ukraine schützen
Der der US-Ökonom Jeffrey Sachs war viele Jahre führender Berater des Internationalen Währungsfonds IMF. Zur Zeit ist er Direktor und Universitätsprofessor des Zentrums für nachhaltige Entwicklung an der Columbia University und hat zahlreicher internationale Funktionen. Sein Beitrag „So lässt sich die Souveränität der Ukraine schützen» wurde vom ProjectSyndicate.com in mehreren Sprachen veröffentlicht. Jeffrey Sachs‘ Analyse der Vorgeschichte des Ukraina-Konflikts und Entwicklung von Lösungsvorschlägen ist offenbar geprägt vom entspannungspolitischen Geist der Lösung von Konflikten durch Kooperation und Interessenausgleich. Auf seiner persönlichen Website hat Jeffrey Sachs seine Überlegungen zur Lösung der Ukraine-Krise mit folgenden Worten zur begründet: Anstatt zu versuchen, so zu tun, als sei die eine Seite ein Heiliger und die andere ein Sünder, sollten alle am jüngsten Konflikt zwischen der NATO und Russland Beteiligten anerkennen, dass sie ein gemeinsames Interesse an langfristiger Sicherheit haben. Das setzt eine diplomatische Lösung voraus, bei der die Ukraine ihre Souveränität durch Neutralität sichert.
26.01.2022 – US Senatoren und Kongressabgeordnete fordern Korrektur der US-Atomwaffenstrategie und mehr Diplomatie
Etwa eine Woche vor der angekündigten Veröffentlichung der US-Nuklearstrategie (Nuclear Posture Review (NPR)) der Biden-Administration haben die Senatoren Markey, Merkley und die Kongressabgeordneten Garamendi, Beyer und 51 weitere Abgeordnete/Senatoren in einem gemeinsamen Brief Präsident Biden zur Korrektur der NPR aufgefordert, um die Abhängigkeit der USA von Atomwaffen zu verringern. Hier Auszüge aus der Pressemitteilung von Senator Ed Markey vom 26. Januar 2022: "US-Senatoren und Kongressabgeordnete fordern eine klare Abkehr von Trumps gefährlicher Atomwaffenstrategie und Hinwendung zur Diplomatie."