In der Einstellung zum gegenwärtigen Krieg in der Ukraine geht ein Riss durch die deutsche Bevölkerung, der aber in der relativ uniformen veröffentlichen Meinung nicht abgebildet wird. Hier hebt sich die Medienwelt der Bundesrepublik negativ ab von etlichen westlichen Ländern einschließlich der USA, wo die Debatte viel offener geführt wird. Stattdessem erleben wir eine Diffamierung derjenigen, die für Waffenstillstand und Verhandlungsinitiativen eintreten, verbunden mit regelrechter Verfälschung ihrer Positionen und Motive. ... Die unmittelbare Schuldfrage stellt sich nicht, weil Russland offenkundig der Aggressor ist, und die Ukraine, wie immer die Qualität ihrer inneren Ordnung beurteilt wird, hat selbstverständlich ein Recht auf Selbstverteidigung. Ich wiederhole, was ich vor einem Jahr in Frankfurt gesagt habe: Wir fordern die russische Führung auf, ihre sog. Spezialoperation einzustellen und ihre Truppen hinter die Demarkationslinie vom Januar 2022 zurückzuziehen. .... Der Krieg in der Ukraine droht alle Anstrengungen zur Rettung der Menschheit auf unserem Planeten zunichte zu machen und birgt die ständige Gefahr der Eskalation zum Dritten Weltkrieg. Es liegt im elementaren Interesse Deutschlands und EU-Europas, schnellstmöglich zu einem Waffenstillstand und dann zum Frieden zu kommen. Gewiss nicht um jeden Preis. ...
Peter Brandt: Kein stabiler Frieden in Europa ohne Russland
Seien wir ehrlich: Die Wenigsten von uns haben damit gerechnet, dass Russland die Ukraine angreifen würde. Ich selbst habe es nicht für undenkbar, aber für äußerst unwahrscheinlich gehalten – wie auch die meisten Experten – und in dem Truppenaufmarsch noch Mitte Februar 2022 eine Drohkulisse gesehen. Alle moralischen Gesichtspunkte beiseite gelassen, war vorhersehbar, dass die militärische ›Spezialoperation‹ die NATO zusammenschweißen und die Führungsrolle der USA im ›Westen‹ wie seit langem nicht mehr befestigen würde. Dieser Effekt ist sogar überboten worden durch den schnellen Beitritt Schwedens und Finnlands zum Atlantischen Bündnis, zweier Staaten mit einer über zweihundertjährigen bzw. beinahe achtzigjährigen Tradition blockfreier Außen- und Verteidigungspolitik.
Peter Brandt: Rede auf der Abschlusskundgebung des Frankfurter Ostermarschs am 18. April 2022
Wir dokumentieren Peter Brandts Rede zum Abschluss des Ostermarsches auf dem Römerberg in Frankfurt – weil sie nicht nur ein persönliches, sondern vor allem ein historisches Dokument ist: Auf nur wenigen Seiten analysiert er die Entwicklung der Welt seit 1962, als sie während der der Kuba-Krise am Rande des Atomkriegs stand, über die Überwindung der Atomkriegsgefahren in den Jahren danach durch Vertrauensbildung, Rüstungskontrolle und Entspannungspolitik bis hin zur Politik der «Gemeinsamen Sicherheit», die seit 1990 immer mehr „vergessen“ wurde, die aber heute, 2022, wieder dringlicher denn je ist, um aus dem Teufelskreis von Russlands Krieg gegen die Ukraine, Wettrüsten und realer Atomkriegsgefahr herauszukommen….
Die doppelte Gefahr der Selbstvernichtung – Plädoyer für eine gemeinsame Sicherheit
Angesichts der dramatisch gewachsenen internationalen Spannungen und Militärausgaben und kaum vorehandenen internationalen Friedensinitiativen haben Peter Brandt, Reiner Braun und Michael Müller gemeinsam dieses friedenspolitische Grundsatzpapier verfasst. Es knüpft an die Mahnung von Willy Brandt, „sich gegen den Strom zu stellen, wenn dieser sich wieder einmal ein falsches Bett zu graben versuchen sollte.“ Und es erinnert uns daran, dass in ähnlich verfahrenen Zeiten der Konfrontation drei internationale Kommissionen realistische und realisierbare Auswege aus der Katastrophe erarbeitet hatten: der Nord-Süd-Bericht von Willy Brandt 'Gemeinsames Überleben', der Bericht von Olof Palme 'Gemeinsame Sicherheit' für die Friedens- und Entspannungspolitik, und der Bericht von Gro Harlem Brundtland 'Unsere Gemeinsame Zukunft' über Umwelt und Entwicklung. Diese drei vor allem auf Initiative der internationalen Sozialdemokratie entstandenen und der UN vorgelegten Berichte haben - rund dreißig Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges - wieder höchste Aktualität gewonnen. Insbesondere das 40. Jahr der Präsentation des Palme-Reports 1982 gibt uns Anlass, dieses -- am 10.12.2021 in der B Berliner Zeitung veröffentlichte "Plädoyer" als Auftakt für weitere Beiträge über das von Egon Bahr wesentlich mitformulierte Konzept der Gemeinsamen Sicherheit zu verbreiten. (INEP Redaktion)
Peter Brandt: Rede auf der Kundgebung „Nie wieder gegeneinander – gemeinsam für Frieden“ am 22. Juni 2021 in Bremen
Vor genau 80 Jahren, am 22. Juni 1941, trat die Deutsche Wehrmacht mit verbündeten Truppen, rund 3 Mio. Mann, auf breiter Front zum Angriff auf die Sowjetunion an – ohne Kriegserklärung und trotz eines Nichtangriffspakts. Wenn der Ausdruck „Überfall“ irgendwo angemessen ist, dann hier. Dass das „Unternehmen Barbarossa“ zu diesem Zeitpunkt gestartet wurde, hatte durchaus militärstrategische Gründe. Hitler wollte Großbritannien die Hoffnung auf eine Entlastung im Osten nehmen und es so zum Frieden zu seinen Bedingungen zwingen – oder, sollte es, was sich schon abzeichnete, zum Kriegseintritt der USA kommen, sich eine mittelfristig nicht zu erschütternde Machtbasis in Kontinentaleuropa schaffen. Gleichzeitig diente der Angriffskrieg gegen die Sowjetunion indessen dem langfristigen rassenimperialistischen Ziel der, wie es in der NS-Terminologie hieß, Eroberung von „Lebensraum“, der Schaffung eines riesigen deutschen Kolonialreichs in Osteuropa. Die Völker der Sowjetunion sollten versklavt und zu -zig Millionen planmäßig dem Hungertod ausgesetzt werden. Das Kriegsvölkerrecht war in diesem Gemetzel vom ersten Tag an außer Kraft gesetzt.
Peter Brandt: Das Verhältnis zu Russland, Schicksalsfrage Europas
Das Ringen um die Welthegemonie wird künftig zwischen den längerfristig absteigenden USA und der rasant aufsteigenden neuen Supermacht China ausgetragen werden. Für Europa ist weiterhin drängender, weil unmittelbarer bedrohlich, die Rivalität zwischen den USA sowie der von ihnen geführten NATO einerseits und Russland andererseits.