Vor Ablauf der "Austrittsfrist" des INF-Vertrages am 01. August 2019 - wird es am 1. Juni 2019 einen bundesweiten Aktionstag gegen ein neues atomares Wettrüsten und für eine atomwaffenfreie Welt geben. Nach formeller Auflösung des INF-Vertrages wären alle rechtlichen Hindernisse für neue Mittelstreckenraketen in Europa beseitigt. Deshalb ist eine drängende Forderung an die USA und Russland: "Der INF-Vertrag einschließlich der gegenseitigen Überprüfungs- und Überwachungsmaßnahmen muss erhalten bleiben." Vor allem vor den Botschaften und Landesvertretungen der USA und Russlands sollen Proteste stattfinden. In Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Bonn, Frankfurt und München laufen bereits die Planungen....
Ist Russland allein für Verletzung des INF-Vetrages verantwortlich?
“Ist allein Russland für die INF-Vertragsverletzungen verantwortlich?”
Wir veröffentlichen im folgenden einige Ergebnisse seiner Untersuchungen in deutscher Übersetzung:
Ein kürzlich in der New York Times erschienenes Editorial bedauerte die Entscheidung der Trump-Administration, den historisch wegweisenden Vertrag über die Abrüstung und Verschrottung aller atomaren Mittelstreckenraketen (INF) zu kündigen, den der sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow und Präsident Ronald Reagan vor 31 Jahren unterzeichnet hatten. Wie die New York Times zu Recht feststellt, “beseitigte der Vertrag eine ganze Klasse von Waffen, etwa 2.692 Bodenraketen, die im Bereich von etwa 300 bis 3.000 Meilen und fliegen können sowie ihre Abschussgeräte.“
Aber obwohl der Herausgeberkreis der Times zurecht das offenbar mangelnde Interesse der Trump-Administration an einer dauerhaften diplomatischen Anstrengung zur Rettung des Vertrages kritisiert, hat er nicht überzeugend erläutert, worum es im Kern des Streits zwischen Russland und den Vereinigten Staaten über die Frage der Einhaltung der Vertragsbestimmungen eigentlich geht.
Laut Times besteht der Kern des Streits darin, dass Russland russische SSC-8-Marschflugkörper entwickelt hat, die nach Angaben der US-amerikanischen Behörden in der Lage seien, sowohl nukleare als auch konventionelle Sprengköpfe zu transportieren und „mit einer Reichweite zwischen 300 und 3.000 Meilen getestet worden seien, also mit einer durch den [INF]-Vertrag verbotenen Reichweite.”
Russland beklagt seinerseits auf die amerikanische Sationierung von Aegis-Raketenabwehranlagen in Osteuropa als potentielle Vertragsverletzungen. Die Times erwähnt hin, dass Moskau befürchte, die Aegis-Systeme könnten “zum Abfeuern von offensiven Mittelstreckenraketen” eingesetzt werden und damit den INF-Vertrag verletzen, meint aber, das werde von “den meisten unabhängigen Experten” bestritten.
Man kann sicher unterschiedlicher Meinung sein über das Verhalten beider Seiten in Bezug auf die Einhaltung der INF-Regeln, aber es ist nicht überzeugend, wenn die Times ungenannte “Experten” als Beweis dafür anführt, dass allein das Verhalten der Russland in dieser Sache falsch sei.
Hier einige Fakten, die die New York Times nicht mit ihren Lesern teilen wollte:
Das ballistische Raketenabwehrsystem Aegis der US-Marine besteht aus einem leistungsstarken elektronisch scannenden Radar und einer Anordnung von etwa 64 Raketen enthaltenden Kanistern. Wenn sie in ihrer sogenannten “Aegis Afloat”-Konfiguration an Bord eines Schiffes installiert werden, sitzen diese 64 Raketenträgerkanister vertikal im Rumpf einer einzigen großen Baugruppe aus acht vorgefertigten standardisierten Modulen, die jeweils acht Kanister enthalten. Diese standardisierten vertikalen Kanister und Kanistermodule sind von vornherein so konfiguriert, dass sie sowohl Flugabwehr- und Raketenabwehrraketen als auch Marschflugkörper abfeuern.
Die Vereinigten Staaten haben ein landgestütztes Raketenabwehrsystem „Aegis Ashore“ in Rumänien stationiert und sind gerade dabei, ein anderes in Polen zu stationieren. Die Erstinstallation in Rumänien umfasst 24 Raketenträgerkanister in drei vorgefertigten Acht-Kanister-Modulen, die aber sehr schnell auf weit über hundert oder möglicherweise sogar Hunderte von Raketenwerfern erweitert werden, indem man einfach vorgefertigten Acht-Kanister-Module hinzufügt.
Bei diesen Installationen werden einfach alle standardisierten Komponenten, die normalerweise zu einem mit Aegis bewaffneten Schiff gehören würden, auf den Bodenstützpukten installiert. Die US-Militärs behaupten, das Aegis-System verstoße nicht gegen den INF-Vertrag, da dem System “Software, Feuerleithardware, Hilfsausrüstung und andere Infrastruktur” fehlten, die zum Starten von offensiven Marschflugkörpern erforderlich wären – aber die Modifizierungen, um die Bodenstützpunkte als Abschusseinrichtungen „Cruise-Missile-fähig“ zu machen, sind ziemlich simpel könnten leicht vorgenommen werden. Solche Marschflugkörper hätten Eigenschaften, die denen der russischen SSC-8 ziemlich nahe kommen.
Die Russen haben zu Recht die Frage aufgeworfen, ob das Aegis-Ashore-System eine Vorbereitung für die Verletzung des INF-Vertrags darstellen könnte. Die Besorgnis Russlands wird außerdem durch die Tatsache gestützt, dass das Aegis-Radar nicht in der Lage ist, angreifende ballistische Langstreckenraketen aus ausreichender Entfernung zu identifizieren, um den Raketenabwehrraketen genügend Zeit zu geben, die abzufangende Rakete an den Abfangpunkten zu treffen.
Aus rein technischer Sicht scheint es daher so zu sein, dass das Aegis-Landsystem wenig oder gar keine wirklichen Raketenabwehrfähigkeiten gegen Langstreckenraketen besitzt.
Tatsächlich hat das US-Verteidigungsministerium nicht klassifizierte Studien (unclassified studies) veröffentlicht, die wegen des äußerst unzureichenden Radars Zweifel an der Fähigkeit des Aegi-Systems, Langstreckenraketen abzufangen, wecken. Das (landgestützte) Aegis Ashore-System enthält alle unveränderten Komponenten des (seegestützten) Aegis-Systems, die ebenso für die Raketenabwehr konfiguriert sind wie auch mit einfachen Modifikationen landgestützte Cruise-Missiles abfeuern könnte.
Wenn Russland solche Systeme an seinen Grenzen zu Europa stationieren würde, würden die Vereinigten Staaten zu solchen Aktionen zweifelsohne Fragen aufwerfen.
Die politische Situation in Russland ist bedrohlicher als je zuvor, und es gibt durchaus Gründe sich Sorgen über das russische Verhalten zu machen. Es wäre daher gut, wenn die “unabhängigen Experten”, auf die sich die New York Times beruft, und wenn die Times selbst die Frage stellen würden, ob die amerikanische Seite etwas unternommen hat, das die Russen provoziert. Dies ist keine überflüssige Frage zu einer Zeit, in der die Gefahr eines Unfalls, der zu einem Atomkrieg führen kann, von Tag zu Tag zunimmt, während beide Seiten weiterhin übereinander statt miteinander reden.
Der Beitrag erschien am 17.01.2019 in “The Nation” unter dem Titel:
Stadt Köln unterstützt Städte-Appell zum UNO-Atomwaffenverbot
Nach Mainz, Wiesbaden und Marburg fordert nun auch die Stadt Köln den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen. Am 05.03.2019 unterzeichnete Oberbürgermeisterin Reker den Appell an die Bundesregierung: "Unsere Stadt ist zutiefst besorgt über die immense Bedrohung, die Atomwaffen für Städte und Gemeinden auf der ganzen Welt darstellen...Daher begrüßen wir den von den Vereinten Nationen verabschiedeten Vertrag zum Verbot von Atomwaffen 2017 und fordern die Bundesregierung zum Beitritt auf."
MIT-Professor Theodore Postol über INF-Vertrag: Öffnen Trump und Putin die Büchse der Pandora?
Die New York Times veröffentlichte am 19. Februar 2019 diese Analyse über die Hintergründe des amerikanisch-russischen Streits über - beiderseitige - Verletzungen des INF-Vertrags. Als mehrfach ausgezeichneter Experte für seine Analyse von Raketenabwehrsystemen bietet MIT-Professor Postol mit seinem Beitrag glaubwürdig wichtige technische Hintergrundinformationen und Lösungsvorschläge, um bis zum Ablauf der Galgenfrist für den INF-Vertrag am 01. August 2019 den Vertrag zu retten.
SPD-Europapolitiker fordern neue Entspannungspolitik
Am 15. Februar berichtete die Neue Westfälische über das Arbeitspapier von "zwei führenden Europapolitikern der SPD" mit Forderungen für eine "Neuorientierung der deutschen und europäischen Sicherheitspolitik": Es sei „höchste Zeit für eine neue Politik der Abrüstung und Entspannung", schreiben Ex-Parteichef Martin Schulz und Achim Post (Minden), Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei Europas, in einem Appell an die Teilnehmer der Münchener Sicherheitskonferenz...
General Harald Kujat: INF – Untätigkeit eine “Bankrotterklärung deutscher Außen- und Sicherheitspolitik”
Im Interview mit dem Deutschlandfunk am 16.02.2019 hat der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Harald Kujat, die Bundesregierung für ihre Haltung zum INF-Vertrag kritisiert. Fünf Jahre sei von deutscher Seite in der für die europäische Sicherheit so wichtigen Sache nichts geschehen, um die seit Jahren bekannten - gegenseitigen - Vorwürfe der USA und Russlands zu klären und z.B. auf Lösung durch bewährte Verifikations- oder Inspektionsregime zu drängen. Nun stelle man sich einfach hinter die Vorwürfe der USA. Im folgenden Auszüge aus dem Gespräch des DLF-Redakteurs Dirk Müller mit Harald Kujat:
Munich Security Report 2019: “The Great Puzzle: Who Will Pick Up the Pieces?”
Zur Vorbereitung der Münchener Sicherheitskonferenz veröffentlicht die Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz ihren jährlichen Munich Security Report -- als Hintergrundlektüre für die Konferenzteilnehmer als auch für die kritischen Betrachter....Unter der Überschrift "The Great Puzzle: Who Will Pick Up the Pieces?" gibt der Munich Security Report 2019 einen Überblick über wichtige sicherheitspolitische Themen und bietet aufschlussreiche Daten, Analysen, Karten und Infografiken. Der letzte Bericht wurde über 40.000 Mal heruntergeladen und fand in deutschen und internationalen Medien große Beachtung. Die Diskussion auf Twitter findet unter #MSCreport statt.
Heribert Prantl (SZ): Politiker wie Brandt und Bahr fehlen auf der Münchener “Unsicherheitskonferenz”
In seiner "politischen Wochenvorschau" schreibt Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der SZ, die Münchener Sicherheitskonferenz müsste "in diesem Jahr eigentlich 'Unsicherheitskonferenz' heißen". Der gerade gekündigte INF-Vetrag sei "einer der wichtigsten Verträge der neueren Geschichte" - nun stehe die Welt jedoch "vor einem neuen nuklearen Wettrüsten" und "vor einem globalen Handelskrieg". Die Genfer Konventionen erodieren; das humanitäre Völkerrecht leidet qualvoll und stumm...In dieser Situation wünsche man sich "auf der Unsicherheitskonferenz in München [...] diesmal ganz viele Staatsfrauen und Staatsmänner vom Typus eines Willy Brandt und eines Egon Bahr...
Daniel Ellsberg spricht vor Klausursitzung des SPD-Parteivorstands am 11. Februar 2019
Nach der Verleihung des Olof-Palme-Preises an Daniel Ellsberg in Stockholm wurde er eingeladen, einen Gastvortrag auf der Klausurtagung des SPD-Partreivorstandes zu halten. Danach schrieb der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil: "Dan Ellsberg ist der große alte Mann der amerikanischen Friedensbewegung. Ellsberg (nach Henry Kissinger „der gefährlichste Mann der Vereinigten Staaten“) kämpft seit mehr als 50 Jahren (!) gegen den Wahnsinn des Wettrüstens. Eine eindrucksvolle Persönlichkeit!"
Stockholm: Olof-Palme-Preis 2019 an Daniel Ellsberg
Am 30. Januar 2019 wurde Daniel Ellsberg im Stockholmer Kulturhaus vor hunderten von Ehrengästen, darunter ehemalige Preisträger und sechs schwedischen Regierungsmitglieder, von der schwedischen Außenministerin Margot Wallström durch feierliche Übergabe des Olof-Palme-Preises 2019 geehrt. Aus Deutschland gratulierte die ehemalige Justizministerin Herta Däubler Gmelin (SPD), die vor über 30 Jahren gemeinsam mit Ellsberg die internationale Aktion Atomteststopp unterstützt hatte, mit einem Glückwunschbrief: "Herzlichen Glückwunsch, dass Sie, lieber Dan, mit dem berühmten Olof-Palme-Preis ausgezeichnet werden. Wir kämpfen alle gemeinsam für den Frieden, und es ist gut zu sehen, dass unsere 'alten Allianzen' fortbestehen."
Die Eröffnungsrede hielt der Vorsitzende des Olof Palme Memorial Fonds, Pierre Schori, die wir hier auszugweise wiedergeben:
- « Vorherige Seite
- 1
- …
- 8
- 9
- 10
- 11
- 12
- …
- 15
- Nächste Seite »