Am 22. Januar 2021 erklärte der ehemalige US-Verteidigungsminister William Perry , der UN-Atomwaffenverbotsvertrag werde zu Unrecht verunglimpft, etwa weil er nicht die Unterstützung der Atommächte habe. Er sei nun geltendes Völkerrecht und ein “neues Instrument der Nichtverbreitung von Atomwaffen in Ergänzung zum bestehenden Nichtverbreitungsvertrag (NVV) von 1968“. Dessen in Artikel VI festgelegte Verpflichtung zur Abrüstung der Atomwaffen hätten die USA und die anderen Atommächte nicht eingehalten, das sei “ein Fehler, zu dessen Korrektur der Atomwaffenverbotsvertrag beiträgt”.
Natürlich reiche der “Vertrag allein nicht aus, das Ende der Atomwaffen herbeizuführen”. Aber das Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsvertrages (AVV) sollte für die USA “als Nation von Vorreitern” Anlass sein, als erste Atommacht den Vertrag zu unterstützen. Im folgenden von uns informell übersetzte Auszüge aus William Perrys Argumenten, die das Bulletin for the Atomic Scientists veröffentlichte:
Vor fast 14 Jahren habe ich mich George Shultz, Henry Kissinger und Sam Nunn angeschlossen, eine Welt ohne Atomwaffen zu fordern. Unsere überparteiliche Koalition repräsentierte die oberste Führungsebene amerikanischer Regierungen während des Kalten Krieges, und unsere während dieser Zeit aus erster Hand gemachten Erfahrungen mit Atomwaffen hatten uns überzeugt, dass unser Aufruf zum Handeln dringend notwendig war. …
In unseren Stellungnahmen beschrieben wir praktische Schritte, mit denen wir es schaffen könnten, oben auf dem Berg (der atomwaffenfreien Welt) wirklich anzukommen. …
Seit 75 Jahren haben wir es zugelassen, dass die Idee der Massenvernichtung “normal” wurde als notwendiger Bestandteil unserer internationalen Sicherheitsstrategie.
Aber wenn wir jemals die Spitze des “Berges” erreichen wollen, müssen wir anerkennen, dass die Atomwaffen das sind, als was sie Ronald Reagan beschrieb, als “völlig irrational, völlig unmenschlich, zu nichts anderem gut sind als zu töten, womöglich das Leben und die Zivilisation auf der gesamten Erde zu zerstören“.
In unseren Beiträgen riefen wir dazu auf, den notwendigen weltweiten Konsens zur Bewältigung der Atomkriegsgefahr herzustellen. Vor kurzem wurde ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu diesem Ziel erreicht: Im Oktober 2020 wurde der Vertrag der Vereinten Nationen über das Verbot von Kernwaffen von Honduras als 50. Land ratifiziert. Infolgedessen wurde der Vertrag am 22. Januar zum Bestandteil des Völkerrechts.
Der Vertrag war zu einem großen Teil das Ergebnis der Arbeit der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), die 2017 für diese Anstrengungen den Friedensnobelpreis erhielt. Ich beglückwünsche sie für ihr Ergebnis.
Viele auf dem Gebiet der internationalen Sicherheit haben diese Leistung als unbedeutend verunglimpft, weil die Atomwaffenstaaten diesen Vertrag nicht anerkannt haben.
Der verstorbene Max Kampelman, hätte eine Antwort auf diesen Zynismus gehabt. … Er sagte einmal: “Die Beseitigung von Atomwaffen ist ein ‘Muss’, das proklamiert und energisch verfolgt werden sollte.”
Als die Vereinigten Staaten 1968 den Nichtverbreitungsvertrag unterzeichneten, akzeptierten wir die Bestimmungen in Artikel VI, der uns verpflichtete, „nach Treu und Glauben … Verhandlungen über einen Vertrag bis zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung aufzunehmen“. Jedoch haben wir und andere Atommächte unsere Verpflichtung gegenüber dem NVV nicht eingehalten, ein Fehler, zu dessen Korrektur der Atomwaffen-Verbotsvertrag beiträgt.
Der Verbotsvertrag macht zu Recht die Beseitigung der Atomwaffen zur Pflicht …und zwar nicht zum unbestimmten Ziel in einer fernen Zukunft.
Der Vertrag über das Verbot von Kernwaffen ist ein bedeutender Schritt in Richtung jener Zukunft, die wir uns vor 14 Jahren vorgestellt haben. …Der Verbotsvertrag zielt darauf ab, unsere globale Wahrnehmung von Atomwaffen mehr in Übereinstimmung mit ihrer schreckliche Realität zu bringen und die Notwendigkeit der vollständigen Beseitigung der Atomwaffen zum Wohle der Menschheit formell zu verankern. ….
Der Atomwaffenverbotsvertrag dient als neues Instrument der Nichtverbreitung von Atomwaffen und ergänzt den bestehenden Nichtverbreitungsvertrag. Er stärkt diejenigen, die sich gegen die Modernisierung und Erweiterung der Atomarsenalen wenden, weil diese Maßnahmen nun nicht mehr dem Völkerrecht entsprechen, zu dessen Einhaltung sich die meisten Länder verpflichtet haben. Der Vertrag wird Atomwaffen nicht so schnell beseitigen, aber er ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Die Vereinigten Staaten unterzeichneten 1968 den Nichtverbreitungsvertrag. Auf dem Reykjavik-Gipfel 1986 machte Präsident Reagan die Beseitigung dieser Waffen zum Thema. Und 2009 versicherte Präsident Obama, die Vereinigten Staaten würden Wege zum “Frieden und Sicherheit einer Welt ohne Atomwaffen suchen”.
Heute, im Jahr 2021, ist der Vertrag in Kraft getreten, der für alle, die ihn unterzeichnen, Atomwaffen illegal macht. Amerika ist stolz darauf, eine Nation von Vorreitern zu sein; lassen Sie uns die erste Atommacht sein, die diesen neuen Weg zur Spitze des atomwaffenfreien Gipfels beschreitet.
Quelle: 2021-01-22. — (Bulletin) — William Perry: Why the United States should support the Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons, informell von der Redaktion (wb) ins Deutsche übertragen
Weitere Infos: Archiv des Bulletin of the Atomic Scientists über Atomwaffen