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18. November 2018   Redaktion

SWP-Aktuell: Der INF-Vertrag vor dem Aus – Neuer nuklearer Rüstungswettlauf könnte dennoch verhindert werden

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Wolfgang Richter, Oberst a.D. und Wissenschaftler in der SWP-Forschungsgruppe Sicherheitspolitik, analysiert in SWP Aktuell Nr. 63 Hintergründe und Folgen des von Präsident Trump angekündigten Ausstiegs aus dem 1987 zwischen KPdSU-Generalsekretär Gorbatschow und  US-Präsident Reagan vereinbarten INF-Vertrags.

Seine Bewertung:

…Washingtons uni­laterales Handeln widerspricht jüngsten Positionen der Nato. Sollten die Vereinigten Staaten den INF-Vertrag verlassen, würde ein weiterer Eck­pfeiler der europäischen Sicherheitsordnung und der globalen nuklearen Ordnung kollabieren. Unberechenbarkeit und Destabilisierung würden zunehmen. Europa muss der Gefahr eines neuen nuklearen Wettrüstens entschieden entgegentreten. Es sollte darauf bestehen, gegen­seitige Anschuldigungen transparent und kooperativ zu verifizieren und, wenn nötig, zusätzliche Stabilisierungsmaßnahmen zu verein­baren, um den Vertrag zu erhalten oder die Folgen der Aufkündigung zu begrenzen.

Richter bewertet den 1988 in Kraft getretenen INF-Vertrag “als wich­ti­gen Wendepunkt auf dem Weg zur Beendi­gung des Kalten Krieges und als Schlüssel­element der europäischen Sicherheitsarchitektur.”  Bereits 1991 war die – verifizierte –  Zerstörung “der 846 ameri­kanischen und 1846 sowjetischen INF-Systeme”, der gesamten Infrastruktur und aller Abschussgeräte abgeschlossen.

Im einzelnen beschreibt er zwar die gegenseitigen “Vorwürfe der Vertragsverletzungen”, aber benennt auch die im Vertrag vorgesehenen “Möglichkeiten zu einer kooperativen Lösung der Streitfragen”, die keineswegs erschöpft seien:

So erlaubt es der Vertrag, Flugkörper oder Raketenstufen von festen Starteinrichtungen aus über INF-Reichweiten zu erpro­ben, sofern sie nicht für boden­gestützte INF-Systeme verwendet werden. Demnach wäre es durchaus vertragskonform, see­gestütz­te Marschflugkörper (SLCM) oder Raketen­stufen für Interkontinental­raketen mit Hilfe fester Startgeräte zu testen, etwa auf dem Test­gelände Kapustin Jar.

Im Gegenzug müssten die USA in Abstimmung mit Rumänien und künftig mit Polen russische Vor-Ort-Inspektionen in Aegis-Ashore-Stellungen zulassen. Moskau könnte sich so davon überzeugen, dass die dort verwendeten Mk-41-Launcher tech­nisch nur für den Start von Abwehrraketen vorgesehen sind und dass für sie keine SLCM oder GLCM verfügbar sind. …

Trilateraler INF-Vertrag mit China?

Nicht von der Hand zu weisen ist das geo­strategische Argument, dass nach 1987 in Süd- und Ostasien neue Nuklearmächte mit INF-Fähigkeiten entstanden sind und dass das INF-Arsenal der Volksrepublik China angewachsen ist. Freilich soll dieses Arsenal nicht nur Russland, sondern vor allem die USA vor einer regionalen Intervention abschrecken.

Daher deutete Präsident Trump an, dass China sich an einem künftigen INF-Vertrag beteiligen müsse. … Ein gemeinsamer russisch-amerika­nischer Versuch, den INF-Vertrag zu multilateralisieren, ist 2007 in den Vereinten Nationen gescheitert. Weder China noch Frankreich oder Großbritannien zeigten Interesse an dem Vorschlag.

Ob es seither Konsultationen zwischen Peking und Washington zum INF-Dossier gegeben hat, ist öffentlich nicht bekannt geworden, aber wenig wahrscheinlich. Vielmehr hat die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Hua Chunying, un­gehalten auf die öffentliche Einlassung Trumps reagiert: Es sei »nicht zu rechtfertigen und unvernünftig«, anderen die Schuld für den unilateralen Rückzug der USA aus dem INF-Vertrag zuzuschieben. China werde eine Erpressung nicht akzep­tieren. Schon seit den 1990er Jahren hat die Volks­republik die Position vertreten, dass zu­nächst die großen Nuklearmächte auf das Niveau der kleineren abrüsten müssten, bevor man eine Beteiligung an multilate­ralen Verträgen zur nuklea­ren Abrüstung erwägen könne.

Tatsächlich verfügen die USA und Russland über mehr als 90% aller Nuklear­waffen weltweit. China besitzt ungefähr 280 bis 300 Nuklearsprengköpfe, etwa 60 land­gestützte ballistische Raketen mit inter­kontinentaler Reichweite und circa 1600 landbewegliche Kurz- und Mittel­streckenraketen und Marschflugkörper, die weit überwiegend mit konventionellen Sprengköpfen eingesetzt werden. Etwa 90% davon liegen im INF-Reichweitenspektrum.

Sollte ein trilateraler Vertrag auf ein Verbot landgestützter INF-Systeme abzielen, verlöre China fast seine gesamte Fähig­keit zur regionalen Machtprojektion mit weit­reichenden Abstandswaffen. Ohne sie könnteChina seine Regionalstrategie der weiträumigen Abriegelung des Ost- und Südchinesischen Meeres gegen eine US-Intervention nicht aufrechterhalten. Die USA hingegen müssten nichts aufgeben, da sie über keine landgestützten INF-Träger in der Region verfügen und sich weiter­hin auf ihre globale Raketen-, Luft- und See­überlegenheit verlassen könnten.

Es ist also kaum anzunehmen, dass sich China auf einen solchen »Deal« einlassen würde. …

Der Trump-Administration muss klar gewesen sein, dass Peking das geforderte trilaterale Abkommen nur ablehnen kann. Deshalb liegt es nahe, dass Trump mit den vagen Hinweisen auf China lediglich seine Absicht rechtfertigen wollte, den INF-Ver­trag zu kündigen.

Ein neuer INF-Rüstungswettlauf würde die Sicherheit Europas und Asiens, nicht aber des amerikanischen Kontinents bedrohen. Sollten die USA eine regionale INF-Statio­nierung anstreben, wären sie mit Ausnahme Guams auf die Zustimmung potentieller Stationierungsländer angewiesen. …

Schlussfolgerungen

Der Ausstieg der USA aus dem Vertrag über die Begrenzung von Raketenabwehrsystemen (ABM-Vertrag) und dem Iranabkommen (JCPOA) sowie die Erosion des Vertrags über konventionelle Rüstungskontrolle in Europa (KSE-Vertrag) haben die internationale Sicherheitsarchitektur bereits schwer belastet. Ein Kollaps des INF-Vertrags würde einen weite­ren Eck­pfeiler der europäischen Sicherheitsordnung und der globalen nu­klearen Ordnung zerstören. Einem regio­na­len nuklearen Rüstungswettlauf in Europa und Ostasien ständen dann keine recht­lichen Beschränkungen entgegen. Dies birgt die Gefahr zusätzlicher Destabilisierung in einer Sicher­heitskrise, in der das gegenseiti­ge Vertrauen auf den tiefsten Stand seit den 1960er Jahren gesunken ist.

Die Ausgangslage für die bald notwendige Verlängerung des New-Start-Vertrags wäre dann denkbar ungünstig. Sollte sie misslingen, wären ab 2021 die strategischen Atomwaffen der USA und Russlands erst­mals seit 1968 keinen rechtsverbind­lichen Begrenzungen unterworfen. Die ohnehin geringe Glaubwürdigkeit der Groß­mächte in puncto Erfüllung der Abrüstungsverpflich­tungendes Vertrags über die Nicht­verbreitung von Kernwaffen (NVV) würde weiteren erheblichen Schaden nehmen. Damit wüchse auch der Druck auf den NVV. Europa wäre mit einer neuen »Nach­rüstungsdebatte« konfrontiert, die in die gegenseitige nukleare Bedrohung durch eine Neustationierung von INF münden könnte. Keines dieser Szenarien ist im Inter­esse Deutschlands und Europas.

Allerdings sind keineswegs schon alle Optionen ausgeschöpft, die INF-Krise kooperativ zu bewältigen. So ist noch nicht hinreichend geklärt, ob und inwieweit es sich bei den wechselseitigen Vorwürfen der Vertrags­verletzung um Fehleinschätzungen der Quellenlage oder um unterschiedliche Ver­tragsinterpretationen handelt, die durch technische Zusatzprotokolle oder gemeinsame Erklärungen einvernehmlich ent­schärft werden könnten….

Zunächst wären daher substantielle gemeinsame Schritte zu vereinbaren, um den Vertrag zu erhalten und, falls erforder­lich, zu modifizieren. So könnten sich die USA und Russland in einer politischen Erklä­rung zum grundlegenden Wert des INF-Vertrags bekennen und ihren Willen bekunden, seine Bestimmungen einzuhalten und offene Fragen kooperativ zu klären….

Die Bundesregierung sollte sich in der Nato für diesen Ansatz stark machen und dazu eine breite Koalition gleichgesinnter Staa­ten bilden. Sie sollten sich auf das Ziel verständigen, keine europäische Zustimmung für eine neue Stationierung von INF-Systemen in Europa zu geben, solange Russland keine solchen Systeme disloziert…..

Quelle: Wolfgang Richter – Der INF-Vertrag vor dem Aus – Ein neuer nuklearer Rüstungswettlauf könnte dennoch verhindert werden – SWP-Aktuell 2018/A 63, November 2018  / Zum Volltext (PDF)

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