In einem Interview mit dem Tagesspiegel hat der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, gefordert, 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges endlich alle Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen:
“Atomwaffen auf deutschem Gebiet erhöhen unsere Sicherheit nicht, im Gegenteil. Es wird Zeit, dass Deutschland die Stationierung zukünftig ausschließt“, erklärte Mützenich, und ergänzte: „Das haben schließlich auch andere Staaten getan, ohne dabei die Nato infrage zu stellen.“
Zum Vorwurf, damit verliere Deutschland die “nukleare Teilhabe” und damit an Einfluss in der NATO, sagte er: „Wir sollten als Deutsche selbstbewusst fordern, die Nuklearstrategie der Nato auch dann mit zu prägen, wenn keine Nuklearwaffen mehr auf unserem Gebiet lagern.“
Entsprechend dieser Strategie sollen die am Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz stationierten Atombomben in den kommenden Jahren “durch die brandneue B61-12 ersetzt werden, die lenkbar ist und Ziele dadurch viel genauer treffen kann. Nach Ansicht von Atomwaffen-Experte Kristensen ist das “ein bedeutender militärischer Vorteil“, so berichtete die Deutsche Welle in einer “DW-Exklusivrecherche” zum 10. Jahrestag des “vergessenen” Bundestagsbeschluss zum Abzug der Atomwaffen, an den auch die Friedensbewegung mit einer Unterschriftenaktion erinnerte.
Im Rahmen der “nuklearen Teilhabe” für den Einsatz der Atombomben sind bisher Tornado-Kampfbomber der Bundeswehr vorgesehen. Da sie aber für den Einsatz der neuen “B61-12” nicht geeignet sind, fordert Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer nun, dafür “zertifizierte” US-Kampflugzeuge vom Typ F-18 zu beschaffen.
Für diese Pläne gab es keine Zustimmung der SPD, und in der Friedensbewegung gibt es seit längerem Widerstand, u.a. die ICAN Petition ‘Atombomber? Nein Danke!’, die sich insbesondere an den SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich und die SPD Bundestagsfraktion wendet.
Auch in den USA haben wiederholt hochrangige Experten vor einer Strategie mit immer “besser einsetzbaren” Atomwaffen, verbunden mit dem gezielten Zusammenbruch der Rüstungskontrolle, gewarnt. In einem ausführlichen Beitrag für Foreign Affairs vom August 2019 erklärten der ehemalige Senator Sam Nunn und ex-Energieminister und Atomphysiker Ernest Monitz: “Seit der Kubakrise von 1962 war das Risiko einer US-russischen Konfrontation mit Einsatz von Atomwaffen nie so hoch wie heute. Doch anders als während des Kalten Krieges sind beide Seiten anscheinend vorsätzlich blind für diese Gefahr… Diese Gefahr wird durch den absichtlichen und beschleunigten Zusammenbruch der Rüstungskontrollarchitektur noch verstärkt“.