Selten war die Welt so unsicher wie heute, stellen die führenden deutschen Friedensforschungsinstitute in ihrem Friedensgutachten 2018 fest, das auf der Bundespressekonferenz in Berlin am 12.06.2018 präsentiert wurde. Auf 150 Seiten prangern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an, was schief läuft in der Welt und wo die Politik dringend gegensteuern müsste.
“2017 war das Jahr der Krisen und eskalierenden Konflikte. Der Nahe und Mittlere Osten zählt nach Einschätzung der Friedensforscherinnen und Friedensforscher zu den gefährlichsten Regionen weltweit. In Europa geraten liberale Demokratien wie Polen und Ungarn unter Druck. Russland macht keine Anstalten, die völkerrechtswidrige Annexion der Krim zu revidieren. Und die Türkei höhlt die Gewaltenteilung aus und schränkt die Freiheitsrechte ihrer Bürgerinnen und Bürger ein“, erklärte die Mitherausgebern des Friedensgutachtens, die HSFK.
In diesem Jahr setzt das Friedensgutachten noch stärker auf klare Empfehlungen an die Bundesregierung, u.a.:
„Mehr Diplomatie, weniger Rüstungsexporte“ / “Die europäische Friedensarchitektur muss wiederbelebt werden” / “Neustart des sicherheitspolitischen Dialogs mit Russland” / “die Vereinten Nationen stärken” / “Atomwaffenverbot unterstützen”…
„Die Bundesregierung sollte ein restriktives Rüstungsexportkontrollgesetz vorlegen. Genehmigungen für Exporte an Kriegsparteien im Jemen müssen widerrufen werden. Lieferungen an die Türkei sind zu unterbrechen, solange die Türkei völkerrechtswidrig agiert.“
Die FR hebt hervor: “Einen Rüffel von den Forschern erhält die Bundesregierung auch für ihre Weigerung, sich dem von 122 Staaten beschlossenen Verbot von Atomwaffen anzuschließen. Zur Begründung führe Berlin an, US-Kernwaffen müssten in Deutschland stationiert bleiben, um Russland abzuschrecken. Das sei gefährlich angesichts von Planungen in Washington und Moskau, neue Atomwaffen zu bauen. Deutschland dürfe nicht schweigen, sondern sollte sich engagieren, um eine Modernisierung der US-Nuklearwaffen und weitere Stationierungen auf deutschem Territorium zu verhindern.”
Seit 2018 erscheint das Friedensgutachten in neuem Format und mit einer neuen Kapitelstruktur, die pointierte Empfehlungen gibt zu den Themen: „Bewaffnete Konflikte“, „Nachhaltiger Frieden“, „Rüstungsdynamiken“, „Institutionelle Friedenssicherung“ und „Transnationale Sicherheitsrisiken”. Sie werden künftig jährlich überprüft und aktualisiert. Im Kapitel „Fokus“ steht der Nahe und Mittlere Osten im Vordergrund.
Seit 1987 analysiert das Friedensgutachten aktuelle Gewaltkonflikte, Trends der internationalen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik auf und trifft Empfehlungen für die Politik. Das Friedensgutachten 2018 wird vom BICC (Bonn International Center for Conversion), der HSFK (Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung), dem IFSH (Institut für Friedens- und Sicherheitspolitik) und dem INEF (Institut für Entwicklung und Frieden) herausgegeben und von der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF) gefördert.
Quellen:
- Pressemitteilung Friedensgutachten/HSFK vom 12.06.2018
- Stellungnahme der herausgebenden Institute (PDF)
- Friedensgutachten 2018 zum Download
- Pressemitteilung Katja Keul vom 12.06.2018
- 12.06.2018, Frankfurter Rundschau, “Friedensgutachten — Internationale Krisen: Deutschland soll sich mehr einmischen