Zur Kundgebung vor dem Brandenburger Tor am 1. September 2017 hatten die Initiative „Neue Entspannungspolitik JETZT!“, die IPPNW-Deutschland, ICAN, die NaturFreunde gemeinsam mit den Gewerkschaften ver.di Berlin-Brandenburg, IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen, GEW-Berlin und dem DGB Berlin-Brandenburg eingeladen. Im Aufruf formulierten sie ihre gemeinsame Sorge: „Nur durch eine neue Entspannungspolitik mit Russland und den anderen internationalen Akteuren kann das Bomben und Töten und die weitere Konfrontation gestoppt werden: Entspannungspolitik JETZT!“
Alle Redner und Rednerinnen – aus Gewerkschaften, Kirchen, Ärzte-, NaturFreunde- und Friedensorganisationen – begründeten aus unterschiedlichen historischen und aktuellen Blickwinkeln ihr gemeinsames Ziel: „neue Entspannungspolitik jetzt!“. Und das war auch die Botschaft der Grußworte an die Veranstaltung, die wir aus Deutschland, USA und Russland erhielten.
In der Broschüre „Antikriegstag 2017“ haben wir die Reden, Video-Links, Grußworte und weitere Dokumente über 60 Jahre Antikriegstag der Gewerkschaften dokumentiert.
Im folgenden einige Zitate aus den Redebeiträgen und Grußworten:
Frank Bsirske (ver.di-Vorsitzender und Mitbegründer der Initiative „Neue Entspannungspolitik JETZT!“):
„Die Geschichte hat uns auch gelehrt, dass Stabilität und Frieden zwischen den Nationen nicht mit Drohszenarien und militärischer bzw. gewaltsamer Konfrontation zu erreichen sind. Nach allem, was wir aus der Geschichte wissen, zeigt sich, dass Auswege aus der Sackgasse der Konfrontation nur durch Bemühungen um Dialog und vertiefte Kooperation möglich sind – daher Entspannungspolitik jetzt! …
..Statt zum Wohle von Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Kurs in der Rentenpolitik zu korrigieren – auch mit höheren Bundeszuschüssen – Milliarden und Abermilliarden zusätzlich für die Aufrüstung auszugeben: Das ist nicht die Politik, die wir brauchen. …“
Ulrike Trautwein (Generalsuperintendentin des Sprengels Berlin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg / schlesische Oberlausitz):
„…Ich bin entsetzt darüber, dass die Kultur des Verhandelns und Kompromisse Schließens, die ja eine entscheidende Errungenschaft der vergangenen Jahrzehnte war, ausgehebelt und zunehmend eine Machokultur des Bedrohens, Aufrüstens und der gewaltsamen Konflikte an ihre Stelle tritt…
Und so verstehen wir als christliche Kirche unseren Auftrag darin, den Staat an seine Friedensverantwortung zu erinnern, und das heißt immer auch alle Bürgerinnen und Bürger.
Dabei wissen wir, was Bonhoeffer so ausdruckt: Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit. Denn Friede muss gewagt werden….“
Michael Müller (Vorsitzender der Naturfreunde Deutschlands):
„Mit der Globalisierung und Digitalisierung der Marktprozesse kommt es wieder zu einer Verselbständigung der Ökonomie, ohne Bindung an Demokratie und Gesellschaft. Damit spitzt sich zu: Unser Jahrhundert wird entweder ein Jahrhundert alter und neuer Gewalt und erbitterter Verteilungskämpfe. Oder es wird ein Jahrhundert der Demokratie und Nachhaltigkeit.
Deshalb haben wir Anlass, uns um den Frieden zu sorgen. Friedenspolitik heißt nicht nur Abrüstung, heißt nicht nur Entspannungspolitik mit Gegnern und heißt nicht nur Suche nach neuen Gemeinsamkeiten. Wir müssen auch alles tun, um den Krieg gegen die Zukunft zu beenden. Oder wie der US-Bürgerrechtler Jesse Jackson es forderte, ein Ende der Party auf Kosten der Armen, der Natur und der Zukunft. Frieden heißt: Wir brauchen eine Weltinnenpolitik, sozial und ökologisch.“
Laura v. Wimmersperg (Vorsitzende der Berliner Friedenskoordination):
„…Was am 8. Mai 1945 in Schrecken endete, darf sich nicht wiederholen.
„Nicht militärisch, nur politisch lassen sich in unserer atomar gerüsteten Welt Konflikte lösen. Der Weg dazu heißt Entspannung, vor allem durch Abrüstung. Dieser Weg erfordert von beiden Seiten Vorleistungen. Das damit verbundene echte oder vermeintliche Risiko müsste Schrittweise und überprüfbar von unseren Politikern eingegangen werden….“. – Diesen Text… habe ich nicht für heute, sondern wir, von der Friedensinitiative Wilmersdorf haben diesen Appell 1980 geschrieben…Ist dieser Text nicht von erschreckender Aktualität?
Bundespräsident Gustav Heinemann erklärte 1969:„Vertrauen kann nur der erwerben, der Vertrauen zu schenken bereit ist. Es gehört zu den vornehmen Aufgaben unserer Politik Vertrauen aufzuschließen.“
„Wir fordern in diesem Sinne von der jetzigen und der künftigen Bundesregierung, endlich Vertrauen zu schenken und … Russlands Angebot anzunehmen, gemeinsam ein friedliches Europa von Wladiwostok bis Lissabon oder – wie der Willi-Brandt- Kreis fordert – bis Vancouver zu schaffen….!“
Dr. Alex Rosen (Vorsitzender der IPPNW Deutschland und Kinderarzt)
„Ich bin 1980 geboren. Meine Generation kennt Krieg eigentlich nur aus dem Fernsehen. Nur sehr wenige in meinem Alter können sich vorstellen, was es bedeuten würde, wenn Konflikte in Europa wieder mit Gewalt statt mit Diplomatie ausgetragen würden.
…Als Arzt hingegen kenne ich die Folgen von Krieg und Vertreibung aus meiner täglichen Arbeit. Ich leite die Kinderrettungsstelle an der Charité und sehe Tag für Tag, Woche für Woche, Kinder, die vor gewaltsamen Konflikten in ihrer Heimat fliehen mussten, die traumatisiert sind, gezeichnet von Krieg und Gewalt…
Nach Ende des Kalten Krieges wurde die historische Chance auf eine neue europäische Sicherheitsarchitektur leichtfertig vertan. Statt ein „gemeinsames Haus Europa“ zu errichten, wurden EU und NATO ohne Rücksicht auf russische Befindlichkeiten und ohne strategische Einziehung Russlands nach Osten erweitert – bis die Kriege in Georgien und der Ukraine dieser Ostwärtsbewegung des westlichen Bündnisses vorerst ein Ende bereiteten.
Heute ist vielen in der NATO klar geworden, dass ein Weiter-So einfach nicht geht. Gleichzeitig befinden wir uns in einer sehr prekären Lage. Der Rüstungswettlauf, von dem wir gedacht hatten, wir hätten ihn überwunden, ist wieder in voller Fahrt. Militärische Manöver und Truppenverlegungen in Grenznähe, der Aufbau eines NATO- Raketenabwehrprogramms in Osteuropa, der NATO-Beitritt Montenegros, die Verlegung von atomwaffenfähigen Kurzstreckenraketen ins russische Kaliningrad und konventionelle wie atomare Aufrüstung auf beiden Seiten treiben die Eskalationsdynamik voran und haben ein gefährliches Niveau erreicht.
Wir brauchen eine neue Entspannungspolitik in Europa – und wir brauchen sie jetzt!“
aus dem Grußwort des DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann:
„Wir leben aktuell in einer Zeit der extremen Unsicherheit, in der die altbekannten Muster und Strukturen zu zerbrechen drohen. Wenn nicht jetzt, wann sonst sollten wir aktiv werden und ein besonnenes politisches Handeln in Deutschland, Europa, den USA und in der Welt einfordern?“
aus dem Grußwort des ehemaligen Staatspräsidenten der UdSSR, Michail Gorbatschow:
„Alle Zeichen deuten auf einen neuen Kalten Krieg…. Eine Diplomatie der Bevölkerungen und eine energische Zivilgesellschaft sind nun besonders wichtig. Wir müssen handeln und verlangen, dass die Politiker und Führungspersonen unserer Länder wieder einen ernsthaften Dialog aufnehmen.“
Grußwort des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Michael Müller:
„Wir erleben derzeit eine Inflation von Anschlägen, Drohungen und ein Verschwinden der Diplomatie. Trotz berechtigter Angst und Sorge darf uns dies nicht sprachlos machen…. Wir brauchen die Diplomatie.“
Die Auftaktrede hielt Frank Bsirske (Ver.di-Vorsitzender und Mitinitiator von Entspannungspolitik JETZT!):
Die Dokumentation der Veranstaltung mit allen Reden, Links zu Videos und weiterführenden Informationen als PDF zum Download:
Als weitere Info empfohlen:
Tagungsband Neue Entspannungspolitik mit Manuskripten/Beiträgen der Königswinter-Tagung im Oktober 2017, als Druckversion oder Lese-Version