Gabriele Heinrich, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, hat in einen Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau am 05.03.3020 gefordert, “Die Bundesregierung sollte sich als Beobachter bei der Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags einbringen und den Dialog suchen”. Sie setzt sich auch mit dem gegen einen Beitritt Deutschlands zum UN-Atomwaffenverbot vorgebrachten Argument auseinander, Deutschland müsse Trägerflugzeuge für die in Büchel stationierten US-Atombomben bereitstellen, um in der Nuklearen Planungsgruppe über die Nuklearstrategie der Nato mitbestimmen zu können: “Seit 1979, also seit 41 Jahren, stimmt das nicht. Alle Nato-Staaten sind Mitglied der Nuklearen Planungsgruppe.”
Wenn der Vertrag von der russischen und US-amerikanischen Regierung jedoch nicht vor Februar 2021 verlängert wird, wären beide Staaten zum ersten Mal seit 1972 an keinerlei rechtlich verpflichtende Begrenzung und Überprüfung ihrer Atomwaffenarsenale mehr gebunden. Für die internationale Sicherheit ein alarmierendes Szenario. …
Unter diesen Vorzeichen ist es zu begrüßen, dass 2017 ein Teil der internationalen Staatengemeinschaft den Atomwaffenverbotsvertrag auf den Weg brachte. Bereits 80 Staaten haben mit Sorge um ein internationales Wettrüsten den Vertrag unterzeichnet, jedoch weder Atomwaffenstaaten noch Nato-Mitglieder. Auch die Bundesrepublik gehört noch nicht zu den Unterzeichnern.
Deshalb kommt es jetzt darauf an, sich konstruktiv mit den Argumenten und Intentionen des Vertrages auseinanderzusetzen. Die Bundesregierung sollte sich daher als Beobachter bei der Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags einbringen und den Dialog suchen.
30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges ist und bleibt unser Ziel der Abzug aller in Europa und in Deutschland stationierten Atomwaffen im Rahmen einer gesamteuropäischen Abrüstungsinitiative. In diesen Zusammenhang gehört auch eine sachliche und sorgfältige Erörterung der Nuklearen Teilhabe. …
Die Debatte um die Nukleare Teilhabe wird durch die Behauptung dominiert, dass Deutschland ein Trägersystem – zurzeit ist es der Jagdbomber Tornado – bereitstellen müsse, um die 20 in Deutschland lagernden US-Atombomben im Ernstfall ans Ziel bringen zu können. Nur wenn Deutschland über ein Trägersystem verfügt, könne Deutschland im Rahmen der Nuklearen Planungsgruppe über die Nuklearstrategie der Nato mitbestimmen. Aber: Seit 1979, also seit 41 Jahren, stimmt das nicht.
Fakt ist vielmehr: Alle Nato-Staaten sind Mitglied der Nuklearen Planungsgruppe. Der Umstand, dass wir mit dem Tornado ein Trägersystem für Atombomben bereitstellen, gibt uns jedoch keine zusätzliche Entscheidungsgewalt. Denn auch strategische Mitglieder entscheiden gleichberechtigt über die Nuklearstrategie der NATO mit.
Mit anderen Worten: Sollte Deutschland kein Nachfolgemodell für den atomwaffenfähigen Tornado anschaffen, der voraussichtlich zwischen 2030 bis 2035 außer Dienst gestellt werden muss, bleibt Deutschland trotzdem Teil der Nuklearen Teilhabe – mit allen Mitbestimmungsmöglichkeiten innerhalb der Nato.
Quelle: 05.03.2020 — Gabriele Heinrich: Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau.