aus der IPPNW-Pressemitteilung vom 29.05.2019:
Idriss Jazairy, UN-Sonderberichterstatter zu den Auswirkungen von Zwangsmaßnahmen auf die Menschenrechte, kritisierte in Berlin, dass die Sanktionen die durch den Krieg verursachten Leiden der syrischen Bevölkerung verstärkt haben. „Die Maßnahmen, die aus Sorge um die Menschenrechte angewendet worden sind, haben zur Verschärfung der humanitären Krise beigetragen“, so Jazairy.
Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW setzt sich für die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen und ein Ende der westlichen Sanktionen ein. Ihre Fortführung blockiere den Wiederaufbau des Landes, verlängere das Leiden der Bevölkerung und zerstöre die Rückkehrperspektive für einen Großteil der Millionen Flüchtlinge. Anstelle von Sanktionen mit weitreichenden humanitären und gesundheitlichen Folgen für die Bevölkerung fordert die IPPNW einen ernst gemeinten Friedensprozess unter Beteiligung aller Konfliktparteien, möglichst unter Führung der Vereinen Nationen, der von Deutschland und der EU mit allen Mitteln gefördert werden sollte.
Zwar existieren laut dem UN-Sonderberichterstatter “humanitäre Ausnahmen”, doch diese würden sich in der Praxis als kostspielig oder extrem langsam erweisen. Die Unsicherheit darüber, welche Finanz-Transaktionen gegen die Sanktionen verstoßen und welche nicht, habe zu einer “abschreckenden Wirkung” auf internationale Banken und Unternehmen geführt. „Infolgedessen sind diese nicht bereit oder nicht in der Lage, mit Syrien Geschäfte zu tätigen. Dies betrifft syrische und internationale Unternehmen, nichtstaatliche Akteure (auch solche, die in rein humanitären Bereichen tätig sind) und syrische Bürger“, so Idriss Jazairy. Alle diese Akteure würden daran gehindert, internationale Transaktionen durchzuführen, auch für Waren, deren Einfuhr legal seien. Selbst internationale Organisationen hätten keine offizielle Möglichkeit, Gehälter oder Auftragnehmer in Syrien zu zahlen.
Die Sanktionen träfen auch die medizinische Versorgung Syriens, die vor dem Krieg zu den besten in der Region zählte. Medikamente, Ersatzteile und Software können aufgrund der Sanktionen nicht eingekauft oder bezahlt werden. Es mangele unter anderem an Ersatzteilen für Krankenwagen und Feuerwehrfahrzeuge. Mehr als 40.000 gut ausgebildete Ärzte haben zudem Syrien verlassen.
Die Sanktionen haben laut Jazairy zu einem dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit und zum Verlust von Arbeitsplätzen aufgrund der Schließung von Fabriken geführt. Es sei unmöglich gewesen, Rohstoffe oder Maschinen zu beschaffen oder Waren zu exportieren. Ausfallende Wasserpumpen beeinträchtigten die Wasserversorgung erheblich und reduzierten die landwirtschaftliche Produktion. Kraftwerke würden ausfallen und neue Anlagen könnten nicht gekauft oder gewartet werden, was zu Stromausfällen führe. So hätten die Sanktionen wesentlich dazu beigetragen, die Flucht der Syrer*innen nach Europa zu erhöhen.
Mangelnde Ressourcen, Energie- und Wasserversorgung sowie fehlende Lehrmittel führten darüber hinaus zu Verzögerungen beim Wiederaufbau von Schulen. 1,8 Millionen Kindern in Syrien sei der Zugang zu ihren Klassenzimmern verwehrt. Auch werde die Möglichkeit der Syrer*innen, sich an der internationalen Gemeinschaft zu beteiligen, stark beeinträchtigt. Sie seien zum Beispiel von internationalen Bildungsaustauschprogrammen ausgeschlossen. Aufgrund der Schließung der Botschaften seien die Menschen zudem gezwungen, in die Nachbarländer zu reisen, um solche Anträge stellen zu können.
Den ausführlichen Bericht von Idriss Jazairy finden Sie hier in Englisch und auf Deutsch unter https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Jazairy_Statement_deutsch.pdf
Pressekontakt: Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung, Körtestr. 10, 10967 Berlin, www.ippnw.de, Angelika Wilmen, Tel. 030 – 69 80 74 15, Mobil: 0162 – 205 79 43, Email: wilmen@ippnw.de