In einem am 30. März 2018 ausgestrahlten Deutschlandfunkgespräch mit Elke Durak warnte die ehemalige Bundestags-Vizepräsidentin Antje Vollmer vor einer verheerenden Entwicklung, die außer Kontrolle geraten könnte und kritisiert die aktuelle Russlandpolitik der Bundesregierung:
“Angela Merkel und auch ihr Außenminister verspielen gerade einen Spielraum, den die deutsche Politik von Brandt bis Helmut Kohl hatte. Nämlich klar im Westen begründet zu sein, aber immer ein besonderes Interesse an einem guten Verhältnis zu Russland zu haben….
Die Entspannungspolitik hatte begonnen als Reaktion auf den Bau der Mauer 1961 und auf den Einmarsch des Warschauer Paktes in Prag 1968: Das sind wirklich ganz schlimme Ereignisse gewesen. Und damals hat man nicht mit Sanktionen reagiert, sondern gesagt, wir müssen jetzt einen sehr langen Dialog anfangen.
Ich bin entsetzt, dass der neue Außenminister Heiko Maas in wenigen Sätzen bei seinem Amtsantritt dieses ganze außenpolitische Tafelsilber der SPD scheinbar verleugnet, wenn er sagt, er ist nicht wegen der Entspannungspolitik, nicht wegen Egon Bahr und Willy Brandt, auch nicht wegen der Friedensbewegung in die Politik gegangen, sondern wegen Auschwitz…”
Er wiederhole damit im Grunde den Satz von Heiner Geissler, “dass der Pazifismus Auschwitz erst möglich gemacht habe, und der Satz zielte damit auf die Friedensbewegung und die Entspannungspolitik – aber das war ja gerade eine Politik, mit der sich die Dinge bis in die Köpfe der Kreml-Herrscher geändert haben, und mit der eigentlich die Veränderungen in der Sowjetunion und die Hoffnung, im Westen Partner zu finden, Vertrauen aufzubauen und an einer gemeinsamen Sicherheitspolitik arbeiten zu können, entstanden sind! Und davon darf man sich doch heute nicht distanzieren, sondern das ist heute dringender denn je.
Man kommt nicht weiter, wenn man die andere Seite nicht begreift. Und tatsächlich ist es im Moment so, dass gerade die Russen und die russische Bevölkerung nicht verstehen, warum das Land, was ja zur Wiedervereinigung der Deutschen entscheidend beigetragen hat, jetzt plötzlich so am Pranger steht, und warum die Deutschen, die mit zwei Weltkriegen gegenüber Russland große Schuld auf sich geladen haben, nicht begreifen, dass man mit dem Land auf Augenhöhe reden muss.
…Selbst wenn man der westlichen Seite in Bezug auf die Skripal-Affäre in allem recht geben würde, wäre trotzdem die Methode falsch. Man kommt nicht weiter, wenn man sich gegenseitig nur Vorwürfe macht, mit Sanktionen überzieht und gegenseitig bedroht. Einer muss da aussteigen.”
Quelle: Deutschlandfunk Kultur, 30.03.2018
Weitere Informationen:
2018-03-10. – Jochen Luhmann – Vorgeschichte der neuen Ost-West-Spaltung
Friedenswort der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 11. Januar 2018
US War College 1998: „Willy Brandts Ostpolitik eröffnete den Weg zum Fall der Mauer“