Am 22. Januar 2018, rund eine Woche vor Präsident Trumps “State of The Union Adress” und der anschliessenden Bekanntgabe der neuen “Nuclear Posture Review“, hat der Vorstand des Willy-Brandt-Kreises vor den Folgen des neuen Wettrüstens insbesondere mit „stärker nutzbaren Nuklearwaffen“ gewarnt. “Die europäischen Verbündeten und allen voran die Bundesregierung müssen deutlicher für den Erhalt der jahrzehntelang erfolgreichen Rüstungskontrollregime” eintreten.
In der von Heidemarie Wieczorek-Zeul, Peter Brandt, Daniela Dahn, Hans Misselwitz, Irina Mohr unterzeichneten Erklärung heißt es:
„… Das Ende des Ost-West-Konfliktes hat eine umfassende nukleare wie konventionelle Abrüstung ermöglicht, die durch zentrale Verträge für die Europäische Sicherheit (INF-Vertrag, KSE-Vertrag, Wiener Dokumente, Open-Skies Vertrag etc.) abgesichert und umgesetzt wurde. Diese zentralen Verträge werden massiv in Frage gestellt und zerfallen, ohne dass Nachfolgeregelungen angestrebt werden.
Der globale Nichtverbreitungsvertrag gerät verstärkt unter Druck. Alle Nuklearwaffenstaaten modernisieren ihre Nuklearstreitkräfte. Als Gegenreaktion haben 122 UN- Mitgliedstaaten am 7. Juli 2017 den „Vertrag zum Verbot von Nuklearwaffen“ beschlossen, der den Einsatz, den Besitz und die Stationierung von Kernwaffen für alle Vertragsparteien verbietet. …
Anfang Februar wird die Trump Administration ihren „Nuclear Posture Review“, also den künftigen Rahmen ihrer Nuklearwaffenpolitik und -beschaffung veröffentlichen. Die nicht-offizielle Vorversion enthält eine drastische Abkehr von Obamas Abrüstungspolitik und deren Richtung einer „Nuklearwaffenfreien Welt“ und der fortschreitenden Delegitimierung von Nuklearwaffen. Stattdessen tritt das Dokument für „stärker nutzbare Nuklearwaffen“ mit niedrigerer Ladungsstärke und neue seegestützte ballistische Raketen sowie Marschflugkörpern ein, obwohl die USA bereits über ein aufgeblähtes Arsenal von Nuklearwaffen verfügen. Neue Nuklearwaffen mit niedriger Sprengkraft (aber immer noch mit der Stärke der Hiroshima-Bombe) sollen entwickelt und deren Testmöglichkeit geplant werden.
Der schrittweise Ausbau der nuklearen Triade durch neue strategische Bomber, U-Boote und Interkontinentalraketen für die nächsten 30 Jahre ist ebenso geplant. Der INF-Vertrag steht vor dem Aus! Russland soll neue landgestützte Marschflugkörper stationiert haben, die den INF-Vertrag verletzen. Russland wirft den USA ebenfalls Vertragsbruch vor, ohne dass die Vorwürfe ernsthaft geprüft und entschärft wurden. Der US-Kongress hat zudem als Reaktion auf den vermeintlichen Vertragsbruch Russlands bis zu $ 500 Millionen in Aussicht gestellt, damit die USA selbst ballistische INF-Systeme und Marschflugkörper entwickeln. Die Tür für ein neues Wettrüsten ist damit aufgestoßen.
Die europäischen Verbündeten und allen voran die Bundesregierung müssen deutlicher für den Erhalt der jahrzehntelang erfolgreichen Rüstungskontrollregime, insbesondere den INF-Vertrag und den KSE-Vertrag eintreten und die Arbeiten für Nachfolgeregelungen forcieren. Auch muss Deutschland sich bei der NATO und der US-Regierung dafür einsetzen, dass keine Stationierungsentscheidungen durch die USA oder einzelne NATO-Mitglieder gefällt werden, die die NATO dann nur noch abzusegnen hat.
Eine Neustationierung von Nuklearwaffen in Europa ist kategorisch abzulehnen. Zudem dürfen sich Deutschland und seine Nachbarstaaten nicht an der Neuentwicklung von Trägersystemen für Nuklearwaffen oder von neuen Nuklearsprengköpfen beteiligen. Das Atom-Abkommen mit dem Iran muss eingehalten werden, solange die Vertragsparteien sich daranhalten. Mit Russland müssen neue Wege für neue Rüstungskontrollarrangements gefunden werden.
Wir fordern alle verantwortlichen Akteure auf, ein neues nukleares Wettrüsten zu verhindern!”…
weitere Informationen:
Die neue US-Militärstrategie im Wortlaut
The Guardian: US to loosen nuclear weapons constraints and develop more ‘usable’ warheads
IPPNW und ICAN über neue US-Militärstrategie: “Spiel mit dem atomaren Feuer”
Gorbatschow appelliert erneut an Putin und Trump, den INF-Vertrag einzuhalten