Mit ihrer Entscheidung, “die Bewaffnung neuer Drohnen” für die Bundeswehr vorerst zu blockieren, steht die SPD-Bundestagsfraktion keineswegs so allein da, wie Drohnen-Befürworter glauben. Zwar behauptet die CDU-Verteidigungsministerin, “Ohne die neuen Waffen, ‘setzen wir fahrlässig das Leben der Soldatinnen und Soldaten aufs Spiel'”, also hätte die SPD “unseren Soldatinnen und Soldaten gerade einen tödlichen Hinterhalt gelegt”, wie die Frankfurter Rundschau interpretierte.
Aber ähnlich wie Rolf Mützenich vor den SPD-Abgeordneten auf den massivem Einsatz von Drohnen auf Seiten Aserbaidschans im Konflikt mit Armenien hinwies, begründen die US-Experten Agnes Callamard und James Rogers im Bulletin of Atomic Scientists ihre Forderung nach “einem internationalen Rüstungskontrollabkommen gegen die Verbreitung von Drohnen” mit dem massiven Einsatz von bewaffneten Drohnen nicht nur in Bergkarabach, sondern auch in Libyen und der Erwartung, dass mit der Verbreitung der Drohnentechnologie “viele staatliche und nichtstaatliche Akteure anonym und ungestraft töten können“:
Der Kaukasus geriet im Sommer in einen „Drohnen-“Drohnen-Krieg”, als Armenien und Aserbaidschan … um Berg-Karabach kämpften. Beide Seiten des Konflikts hatten Militärdrohnen, die durch Exporte der Türkei und Israelsnach Aserbaidschan und durch von Armenien für seine eigenen Streitkräfte produzierte Drohnen leicht verfügbar waren.
In Libyen hat sich eine ähnliche Szene herausgebildet, in dem die Türkei ihre Bayraktar TB2-Militärdrohne zur Unterstützung der von der UNO anerkannten Regierung des Nationalen Einvernehmens in einem Stellvertreterkrieg gegen die VAE und Saudi-Arabien eingesetzt hat, die mit den chinesischen Ling Loong II-Drohnen den „Feldmarschall» Khalifa Haftar von der sogenannten libyschen Nationalarmee unterstützen.
Konflikte wie diese werden immer häufiger. Ebenso besorgniserregend ist der zunehmende Einsatz von Drohnen zu gezielten Tötungen, angeblich als Selbstverteidigung, wie die Tötung des iranischen Generals Qasem Soleimani und anderer durch die Vereinigten Staaten im Irak im Januar. Die Verbreitung und Weiterentwicklung der Drohnen-Technologie macht solche Tötungen für viele staatliche und nichtstaatliche Akteure zugänglich, die anonym und ungestraft töten können.
Einfach ausgedrückt, die Welt ist in ein zweites Drohnenzeitalter eingetreten, in dem neue „Drohnenmächte“ ferngesteuerte militärische Technologien als Speerspitze der Staatsmacht einsetzen und Tausenden von Menschen das Leben kostet. …
Das Abkommen zur Kontrolle von Raketentechnologien (Missile Technology Control Regime / MTCR) – aus den 1980er Jahren sollte die Verbreitung unbemannter Systeme für den Einsatz von Massenvernichtungswaffen verhindern – hat aber die Verbreitung bewaffneter Drohnen nicht gestoppt. Die Entscheidung der Trump-Regierung, das MTCR neu zu interpretieren, hat die Sache nur noch schlimmer gemacht.“ Es sei höchste Zeit für einen Vertrag zur Kontrolle der Drohnentechnologie, und der gewählte Präsident Biden sollte einen solchen Schritt unterstützen…
Quelle: 2020-12-01. – (Bulletin of American Scientists, Agnes Callamard, James Rogers) – Wir brauchen ein neues internationales Rüstungskontrollabkommen gegen die Verbreitung von Drohnen
Mit anderen Worten: Diese Argumentation der US-Experten macht deutlich, dass die Verschiebung der Entscheidung über Drohnen auf die Zeit nach den Bundestagswahlen mehr als ein parteitaktisch “kluger Schachzug” (TAZ) sein sollte, sondern in Sinne von Walter Borjans und Rolf Mützenich eine Entscheidung der SPD für Rüstungskontrolle und eine Friedens- und Sicherheitspolitik, die sich “nicht einfach stumpf vermeintlichen militärpolitischen Notwendigkeiten beugt”.
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