“Eine Intervention in Syrien nützt nur Al-Qaida und anderen Dschihadisten”
sagte die Kongressabgeordneten Tulsi Gabbard am 20. September 2018 im Interview mit James Carden in
Die US-Kongressabgeordnete Tulsi Gabbard ist Mitglied des Streitkräfteausschusses und des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten. Sie wurde kürzlich für eine weitere Amtszeit im Repräsentantenhaus nominiert, wo sie den 2. Kongressbezirk Hawai’is vertritt.
Sie nahm als US-Soldatin an zwei Kriegseinsätzen der USA im Nahen Osten (Irak 2004-2005, Kuwait 2004-2005) teilund ist derzeit Majorin in der Hawai’i Nationalgarde (Army National Guard). Sie ist eine der führenden InitiatorInnen im US-Kongress für Anträge zur Beendigung von Interventionskriegen der USA.
Tulsi Gabbard wirft im Interview mit The Nation Präsident Trump und Vizepräsident Pence vor, sie stärkten mit ihren Plänen zum militärisches Eingreifen in Syrien “al-Qaida und andere dschihadistische Kräfte in Syrien”. Sie begründet ihre scharfe Kritik mit den menschlichen, finanziellen und politisch kontraproduktiven Folgen des Irakkrieges sowie der Regime-Change-Interventionen in Libyen und Syrien: „Unsere Bemühungen zum Sturz des syrischen Regimes unter Assad machten Syrien viel mehr abhängig von Iran und Russland. Diese Politik dient nicht den nationalen Interessen der Vereinigten Staaten oder Israels. Außerdem war im Irak die Präsenz und der Einfluss des Iran gleich null, bevor wir Saddam Hussein stürzten. Jetzt ist der Iran die dominierende Macht im Irak.“ Ihr Änderungsantrag zum US-Verteidigungshaushalt 2018 für den Stopp weiterer Interventionskriege wurde von 60 Kongressabgeordneten unterstützt.
Im folgenden ein Auszug dem The Nation-Interview mit Tulsi Gabbard:
Am 13. September ergriff die Kongressabgeordnete von Hawaii, Tulsi Gabbard, das Wort im Repräsentantenhaus, um die US-Bundesregierung zu kritisieren. Sie warf Präsident Trump und Vizepräsident Mike Pence vor, “al-Qaida und andere dschihadistische Kräfte in Syrien” zu schützen, während sie ”Russland, die Türkei und und Iran androhen, sie mit militärischer Gewalt anzugreifen, sollten sie es wagen, diese Terroristen anzugreifen. ”
Gabbard fuhr fort: “Das ist Verrat am amerikanischen Volk, besonders an den Opfern von Al-Qaidas Angriff vom 11. September, an ihren Familien, Ersthelfern und meinen Geschwistern in Uniform, die im Einsatz getötet oder verwundet wurden. Wenn der Präsident als Oberbefehlshaber als großer Bruder die schützende Hand über Al-Qaida und andere Dschihadisten hält, muss das von allen Kongressabgeordneten verurteilt werden.”
James Carden sprach mit Gabbard über ihren Widerstand gegen Trumps Syrienpolitik:
James Carden: Im Juni haben Sie und der republikanische Kongressabgeordnete Walter Jones HR 922, die „Resolution gegen Vorabgenehmigung von Kriegen“ („No Presessional Concessions Wars Resolution“) eingeführt, die Kriege des Präsidenten, die nicht vom Kongress gemäß Artikel I, Abschnitt 8, Klausel 11 genehmigt werden, als unvereinbar mit “schwere Verbrechen und Vergehen” erklärt und es dem Präsidenten verbieten würde, ohne vorherige Zustimmung des Kongresses laufende Kriege weiterzuführen oder z.B. durch Kriegsmaterial, militärischen Truppen, Geheimdienstinformationen und finanziellen Unterstützungen zu unterstützen.
Während eine Angriffspolitik gegen Syrien aus moralischen, rechtlichen Gründen und wegen der Folgewirkungen falsch wäre, würde sie wahrscheinlich auch aus realistischen Gründen scheitern. Was meinen Sie, wer von einem US-geführten Angriff auf Syrien profitieren würde?
Tulsi Gabbard: Kurzfristig würde Präsident Trump am meisten davon profitieren. Der Präsident möchte gern verehrt und gelobt werden, und trotz verbreiteter Vorurteile gegen ihn, sehnt er sich besonders nach der Gunst der Medien. Trump erinnert sich sehr gut daran, dass er von den Mainstream-Medien, Republikanern und Demokraten, nur allzu oft gelobt wurde, wenn er aggressive Militäraktionen verübte. Brian Williams, Fareed Zakaria und andere konnten ihre Freude kaum verbergen. CNNs Fareed Zakaria sagte, “Donald Trump wurde Präsident der Vereinigten Staaten in dem Moment“, als die ersten Bomben fielen. MSNBCs Brian Williams lobte den Abschuss von US-Raketen, als er sagte: “Ich lasse mich von der Schönheit unserer Waffen leiten.” David Ignatius von der Washington Post erklärte, Trump hätte mit dieser Aktion “die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Macht wiederhergestellt” habe.
Gerade jetzt fallen die Zustimmungswerte von Präsident Trump, und er sehnt sich nach positiver Verstärkung. Er und sein Team kalkulieren und suchen nach irgendeiner Erklärung oder Gelegenheit für einen weiteren militärischen Angriff, damit Trump wieder glorifiziert werden kann, weil er Bomben abgeworfen hat.
Diejenigen am meisten gewinnen würden, sind andere: Al-Qaida und alle terroristischen Organisationen, die den Regimewechsel-Krieg gegen Assad am Leben erhalten wollen. Ihr Krieg gegen Assad steht vor dem Ende, sie stehen vor der Niederlage. Ein US-Angriff, der das syrische Militär erheblich schwächen würde, wäre ein Geschenk an diese terroristischen Gruppen, die die Regierung stürzen und in Damaskus eine sunnitische extremistische Theokratie aufbauen wollen. Saudi-Arabien, die Türkei und Katar wären die Nutznießer.
Der militärisch-industrielle Komplex würde von der Fortsetzung dieser Regimewechselkriege profitieren.
Wer würde am meisten leiden? Das syrische Volk möchte in Ruhe gelassen werden, damit sie versuchen können, ihr Land wieder aufzubauen. Als ich Syrien besuchte, teilten die Menschen mir ihre Verzweiflung mit und baten mich, ihre Botschaft mit den Amerikanern zu teilen: “Wir betteln nicht um Euer Geld oder Eure Hilfe. Wir bitten Euch einfach, die Terroristen, die unser Land zerstören, nicht mehr zu unterstützen. Bitte lasst uns in Frieden leben!” ….
General Joseph Dunford und die UNO haben bestätigt, dass Idlib von 20.000 bis 30.000 Al Qaida und anderen terroristischen Gruppen kontrolliert wird. Brett McGurk, Sonderbeauftragter der Regierung gegen den IS, sagte: “Idlib ist Al Qaidas größter sicherer Hafen seit 9/11.” …
Wir führen seit 2011 einen Regimewechselkrieg in Syrien. Der Krieg um die syrische Regierung von Assad, zusammen mit unseren Verbündeten Saudi-Arabien, der Türkei und Katar, hat terroristische Organisationen wie Al direkt und indirekt unterstützt Qaida, die effektiv als unsere Bodentruppen in diesem Regime dienen, verändern den Krieg und ermöglichen es ihnen, in Syrien an Zahl und Stärke zu wachsen. …
… Dieser Regimewechselkrieg in Syrien und das Bündnis mit Al-Qaida und anderen Terroristen müssen jetzt beendet werden.
JC: Man hört oft von Neokonservativen und liberalen Interventionisten (sicherlich eine Unterscheidung ohne Unterschied), die vor einer Übertreibung der Lehren aus dem Irak warnen. … Haben Sie in Ihren Jahren im Kongress irgendwelche Belege dafür gesehen, dass diese Lehren tatsächlich von den Establishments aus Politik und Medien ernstgenommen wurden?
TG: Nein. Angesichts unserer anhaltenden kontraproduktiven Politik des Regime-Change-Kriegen haben unsere Führungen in beiden Parteien offensichtlich nicht die schmerzvollen Lehren aus jahrzehntelangen interventionistischen Regimechange-Kriegen gezogen, zuletzt in Irak, Libyen und jetzt Syrien. Das Ergebnis war teuer für das amerikanische Volk, für Menschenleben und Steuergelder sowie verheerend für die Menschen in diesen Ländern; dort gab es zahllose Verluste an Menschenleben, humanitäre Krisen sowie Flüchtlinge, die aus ihren Häusern vertrieben wurden und deren Art zu leben völlig zertört wurde.
Kürzlich habe ich für einen Änderungsantrag im Kongress gekämpft, die Bestimmung aus dem Gesetzesentwurf für den Verteidigungshaushalt von 2018 zu streichen, die im unseren Außen- und Verteidigungsministern erlaubt, mit dem Iran in den Krieg zu ziehen. Nur 60 Kongressmitglieder unterstützten meinen Änderungsantrag.
Während viele Mitglieder des Kongresses und der Trump-Administration gegen den Iran schimpfen und die US-Truppen nunmehr auf unbestimmte Zeit in Syrien halten wollen, um dem Einfluss und der Präsenz Irans zu begegnen, lehnen sie die Anerkennung der Tatsache ab, dass der Regimewechselkrieg in Syrien zur drastischen Verstärkung von Präsenz und Einfluss des Iran in diesem Land geführt hatte. Mit anderen Worten: Die syrische Regierung unter Assad wurde aufgrund unserer Bemühungen, sein Regime zu stürzen, viel mehr abhängig von Iran und Russland. Diese Politik dient offensichtlich nicht den nationalen Interessen der Vereinigten Staaten oder Israels.
Außerdem war im Irak die Präsenz und der Einfluss des Iran gleich null, bevor wir Saddam Hussein stürzten. Jetzt ist der Iran die dominierende Macht im Irak.
Das Problem ist, dass unsere Führungspersonen entweder unter extremer Kurzsichtigkeit leiden oder bewusst gegen die Interessen der Vereinigten Staaten und unserer Verbündeten arbeiten. Die Wahrheit ist doch unleugbar, dass die direkte Folge unseres Sturzes der Regimes von Saddam Hussein, Muammar Gaddafi und unserer Bemühungen um Sturz von Bashar al-Assad sowohl die Präsenz und den Einfluss von Russland und des Iran als auch von Al Qaida und anderen Dschihadisten stark erhöht haben –in allen drei dieser Länder!
Kurz gesagt, wir haben Billionen von Steuergeldern und das Leben von Tausenden Amerikanern geopfert, um unseren Feinden oder Gegnern zu helfen. Wer braucht Feinde, wenn wir solche „Führer“ haben?
Dieser Artikel war erstmals publiziert vom The Nation Magazin und wurde mit freundlicher Genehmigung der Herausgeberin von der Redaktion (wobi, fs) übersetzt und in unserer Homepage veröffentlicht.
Quelle: Tulsi Gabbard’s Interview in The Nation
weitere Info:
Tulsi Babbards Presseerklärung vom 13.10. über ihre Stellungnahme im US-Kongress
Video von Tulsi Babbards Rede vor dem US-Kongress am 13.10.2018