Dr. Thomas Hajnoczi – Botschafter i.R., ehem. Leiter der Delegation Österreichs bei den Verhandlungen zum Atomwaffenverbotsvertrag (AVV), hatte auf dem Internet-Workshop „Wie weiter mit dem Atomwaffenverbotsvertrag?“ vom 09. Juni 2022 eines der drei Einleitungsstatements gegeben. Heute berichtet er als Teilnehmer an der Konferenz der AVV-Vertragsstaaten über die Ergebnisse des Treffens:
Vom 21.-23. Juni 2022 tagte das 1. Vertragsstaatentreffen des Atomwaffenverbotsvertrags (AVV) unter Vorsitz von Botschafter Alexander Kmentt (Österreich) in Wien. Nachdem im Juni 4 weitere Staaten den Vertrag ratifiziert hatten, gab es bereits 65 Vertragsparteien. Auch etliche Nichtvertragsparteien waren als Beobachter gekommen, mit Belgien, Deutschland, den Niederlanden und Norwegen sogar 4 NATO-Staaten sowie Australien.
Die steigende Wertschätzung des Vertrages kam auch in der Videopassage des UN-Generalsekretärs Guterres zum Ausdruck, der erstmals eindeutig alle Staaten aufrief, ihren Beitritt in Betracht zu ziehen. Atomwaffen würden ein falsches Versprechen von Sicherheit und Abschreckung liefern, obwohl sie nur Zerstörung und Tod brächten, so Guterres. Außenminister Schallenberg führte den Gedanken weiter – solange
diese Waffen existieren, stellen sie eine Gefahr für uns alle dar, wie die russischen Drohungen mit Nuklearwaffen zeigte. Nukleare Abschreckung fache die weitere Verbreitung von Atomwaffen an. Die meisten Redner verurteilen so wie er die Androhung des Einsatzes von Nuklearwaffen durch Präsident Putin.
Die Entscheidungen der Konferenz zur weiteren Umsetzung des Vertrages waren in zahlreichen virtuellen Konsultationen der Vertragsstaaten über 1 ½ Jahre unter Einbeziehung von ICAN vorbereitet worden:
– Die Schaffung eines Wissenschaftlichen Beratungsausschusses wurde beschlossen. Einen solchen gab es bisher zu nuklearer Abrüstung noch nicht, wohl weil die nuklear bewaffneten Staaten eine unabhängige internationale wissenschaftliche Expertise in diesem Bereich nicht wünschten.
– Die Frist zur Zerstörung der Atomwaffen wurde auf maximal 10 Jahre festgelegt. Jene für den Abzug von Nuklearwaffen vom Territorium von Stationierungsländern auf 90 Tage. Der Beginn der Fristen ist das Inkrafttreten des Beitritts des Staates.
– Die Arbeiten zu einer besseren Opferhilfe und Umweltsanierung werden in einer intersessionalen Arbeitsgruppe fortgesetzt werden, die auch die näheren Bestimmungen eines Treuhandfonds zu diesem Zweck erstellen soll.
– Weitere Strukturen für die intersessionale Arbeit bis zum 2. Vertragsstaatentreffen wurden zur Universalisierung sowie zur Bestimmung einer oder mehrerer internationaler Agenturen zur Begleitung eines Beitritts eines nuklear bewaffneten Staates geschaffen. Auch ein Koordinierungsausschuss sowie ein Gender Focal Point wurden errichtet.
– Die Komplementarität des AVV mit der bestehenden Abrüstungsarchitektur, insbesondere dem Nichtweiterverbreitungsvertrag wurde klar dargestellt und betont.
Im verabschiedeten Aktionsplan sind sehr konkrete vorzunehmende 48 Schritte niedergelegt, deren Darstellung den Rahmen dieser kurzen Übersicht sprengen würde.
Die Politische Deklaration wurde mit Konsens angenommen, in der insbesondere
– Drohungen mit dem Einsatz von Nuklearwaffen uneingeschränkt und unter allen Umständen verurteilt werden, ganz gleich ob sie explizit, implizit erfolgen.
– die Doktrin der nuklearen Abschreckung als gefährlicher Trugschluss bezeichnet wird, weil sie auf dem tatsächlichen Einsatz von Nuklearwaffen beruht, somit dem Risiko der Zerstörung von zahllosen Menschenleben, Gesellschaften, Nationen und von weltweiten katastrophalen humanitären Auswirkungen. Die Befürworter der nuklearen Abschreckung befürworten den fortdauernden Besitz von Nuklearwaffen.
– Die wachsende Instabilität und offener Konflikt steigern das Risiko eines Nuklearwaffeneinsatzes, ob mit Absicht, durch einen Irrtum oder einen Unfall.
– Die Existenz von Nuklearwaffen verringert und bedroht die gemeinsame Sicherheit aller Staaten, ja gefährdet unser Überleben.
– Bedauern, dass trotz der schrecklichen Risiken, der rechtlichen Verpflichtungen und politischen Zusagen keiner der nuklear bewaffneten Staaten, aber auch der Schirmstaaten, ernsthafte Schritte zur Reduktion der Abstützung seiner Sicherheit auf Nuklearwaffen unternimmt. Stattdessen geben sie riesige Summen für den Erhalt, die Modernisierung, Verbesserung und Erweiterung ihrer Nuklearwaffen aus und verstärken die Rolle der Nuklearwaffen in ihrer Sicherheitsdoktrin. Dies sollte sofort beendet werden. Diese Ressourcen könnten besser für eine nachhaltige Entwicklung verwendet werde.
– Der Fokus auf die humanitären Auswirkungen von Nuklearwaffen ist in allen Foren zu verstärken. Die Prävention dieser Auswirkungen muss im Zentrum unserer gemeinsamen Anstrengungen stehen, eine Welt ohne Atomwaffen zu schaffen und beizubehalten.
– Unter den heutigen Umständen ist der AVV nötiger denn je. Daher Aufforderung an alle Staaten beizutreten. Länder, die dazu noch nicht bereit sind, sollten zur Verwirklichung einer nuklearwaffenfreien Welt zusammenarbeiten, statt andere Länder unter Druck zu setzen nicht beizutreten.
– Die Vertragsstaaten werden von ihren Universalisierungsbemühungen nicht ablassen, bis der alle Länder beigetreten sind, der letzte nukleare Sprengkopf zerstört ist und Nuklearwaffen total eliminiert sind.
Mexiko wurde zum Präsidenten des 2. Vertragsstaatentreffens gewählt, dass es vom 27. November bis 1. Dezember 2023 in New York ausrichten will. Mit Kasachstan gibt es bereits einen Kandidaten für den Vorsitz des 3. Vertragsstaatentreffens.
Weitere Informationen:
- Bericht der Bundesregierung über die Erste Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags
- Bericht der IPPNW über die Erste Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag
- UNODA: Übersicht und digitaler Zugang zu allen AVV-Vertragsunterlagen, Dokumenten, Arbeitspapieren, Konferenzvorlagen sowie Arbeitspapieren von Nichtregierungsorganisationen
- BMEIA (österreichisches Bundesministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten): Präsentationen und Beiträge auf der Wiener Konferenz zu den humanitären Auswirkungen von Atomwaffen