Niemand vermag vorauszusehen, wie sich die US-Außenpolitik unter Präsident Donald Trump im Laufe der Zeit entwickeln wird. Doch eines lässt sich sagen: Zum ersten Mal seit dem Aufstieg der USA zur Supermacht hat mit Trump ein Präsident das Amt angetreten, der den hegemonial-internationalistischen Konsens aufkündigt, sei es in seiner konservativen, sei es in seiner liberalen Variante. Bündnisverpflichtungen in Frage zu stellen, wie Trump es im Wahlkampf getan hat, und einem ökonomischen Nutzenkalkül zu unterwerfen, pflanzt ein Element der Unsicherheit in die transatlantischen Beziehungen und nährt die Sorge, ob mit der Führungsmacht USA weiterhin zu rechnen ist.
… Was sich programmatisch abzeich- net, ist eine rein an den nationalen Inter- essen der USA orientierte Weltmachtpolitik, frei von allen Beschränkungen amerika- nischen Handlungsspielraums, anti-inter- ventionistisch in Bezug auf die innere Umgestaltung anderer Staaten, nicht aber anti-militaristisch. Denn die militärische Dominanz der USA soll bewahrt werden….
Bis auf die Bewahrung militärischer Überlegenheit laufen Trumps Vorstellungen jedoch den Präferenzen der traditionellen außenpolitischen Elite und dem institutionalisierten Rollenverständnis der außen- und sicher-heitspolitischen Bürokratie zuwider.
Offen ist, ob Trump erfahrenes politisches Personal bis hinunter zur Ebene der Abtei- lungsleiter findet, das seine Überzeugungen teilt und imstande ist, sie gegen das Beharrungsvermögen, vielleicht auch gegen den Widerstand des bürokratischen Apparats durchzusetzen. …
Würde sich jedoch in der amerikanischen Außenpolitik der »Trumpismus« mit seinem transaktionalen Verständnis internationaler Politik, seinem Null-Summen-Denken und seiner machtpolitischen Ausrichtung durchsetzen, wäre dies… tatsächlich ein tiefgreifen- der strategischer Wandel.
Noch lässt sich nicht erkennen, in welche grundlegende strategische Orientierung eine solche Sicht internationaler Politik münden könnte: ob in eine Art »neo-isolationistische« … Politik, die ein Höchstmaß wirtschaftlicher Autarkie mit militärischer Stärke verbindet, oder in eine realpolitische »balance-of- power«-Strategie, wie sie manchen »Realisten« vorschwebt – und das hieße: Übergabe der sicherheitspolitischen Verantwortung in Europa an die Europäer, schrittweiser Abzug der amerikanischen Streitkräfte, Verbesserung der Beziehungen zu Russland und dessen Einbindung in die Eindämmung Chinas, jenes Landes, das allein in der Lage ist, die amerikanische Vormachtstellung herauszufordern….”
Beträchtlicher innenpolitischer Handlungsspielraum des US-Präsidenten
Die Macht des Präsidentenamtes ist im Laufe der Geschichte immer mehr gewachsen. Nirgendwo ist sie so absolut wie in der Entscheidung über den Einsatz von Atomwaffen, die allein der Präsident als Commander-in-Chief trifft. Kein Minister, kein Offizier ist befugt, dessen Entscheidung zu blockieren. Nicht ohne guten Grund war im Wahlkampf die Sorge ein Thema, ob Donald Trump aufgrund seines Charakters und seines Temperaments eine solche absolute Macht anvertraut werden könne.
Die Macht des Präsidenten bereits unter Obama erheblich ausgedehnt
Präsident Obama, der vor seinem Amtsantritt noch die Auswüchse der »imperialen Präsidentschaft« kritisiert hatte, trug seinen Teil zur Verfestigung der starken Rolle des Amtes bei. Das gilt besonders für die Außen- und Sicherheitspolitik, wo der Kongress, wenn es um den Einsatz militärischer Gewalt geht…. Aber auch in der Handelspolitik hat der Kongress dem Präsidenten beträchtliche Vollmachten übertragen….
Chance für Entspannungspolitik unter Trump?
Sollte Trump innenpolitischen Widerstände zum Trotz die Entspannung mit Russland betreiben, wäre dies grundsätzlich im deutschen Interesse, sofern diese Entspannung dazu beiträgt, das Risiko einer militärischen Eskalation zu verringern und die Barrieren für eine weitere wirtschaftliche Kooperation zu senken… Hier könnte Deutschland mit Blick auf Rüstungskontrolle und die Lösung des Ukrainekonflikts eine Rolle als unterstützender Akteur spielen, der zugleich Einfluss auf Washington nimmt.
Wie eine »neue« Sicherheitsordnung aussehen könnte, auf welchen Kompromis- sen sie beruhen müsste, das wird erst ansatzweise diskutiert. Immerhin zeichnen sich in manchen Beiträgen die Umrisse einer solchen Ordnung ab: Die territoriale Integrität der Ukraine müsste garantiert, ihre Mitgliedschaft in der Nato faktisch aus-geschlossen sein; die Annäherung des Landes an die EU – über das inzwischen unterzeichnete Assoziierungsabkommen – wäre so zu gestalten, dass sie kompatibel ist mit dem Freihandel zwischen der Ukraine und Russland; die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa müsste aufgewertet werden (mehr dazu in SWP-Studie 17/2016).
Annäherung China-EU bei Ärger zwischen USA und China?
Sollte es zu einer amerikanisch-chinesischen Konfrontation kommen und China sich verstärkt europäischen Lieferanten zuwenden (Stichwort: Airbus statt Boeing), muss ebenfalls mit dem extraterritorialen Ausgreifen der amerikanischen Sanktionsgesetze gerechnet werden – praktiziert mit dem Ziel, europäische Firmen daran zu hindern, die von den USA hinterlassene Lücke zu füllen….
https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A10_rdf.pdf