Mit den Worten “SPD-Fraktionschef fordert Abzug der amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland” veröffentlichte die Zeitschrift des Bundeswehrverbandes „Die Bundeswehr“ einen Beitrag von Rolf Mützenich, in der er seine Forderung nach einer „ehrlichen Debatte über die Zukunft der nuklearen Teilhabe“ begründet.
In seinem Artikel erinnert Mützenich daran, dass bereits 2009 CDU, CSU und FDP in ihrem Koalitionsvertrag die Forderung formuliert hatten,
dass … „wir uns im Bündnis sowie gegenüber den amerikanischen Verbündeten dafür einsetzen (werden), dass die in Deutschland verbliebenen Atomwaffen abgezogen werden.“ Damals gab es keine öffentliche Aufregung über die Vereinbarung…, erst recht gab es keine Debatte, ob mit dieser Festlegung die Bündnistreue der schwarz-gelben Koalition noch gegeben sei.
Neu hingegen ist, dass wir nun auch vor weitreichenden rüstungspolitischen Entscheidungen stehen, die die Debatte über die technische nukleare Teilhabe gerade zum jetzigen Zeitpunkt notwendig macht.
… Wie unser Koalitionspartner fordern auch wir neue Initiativen und Gespräche zur Abrüstung und Rüstungskontrolle. Außenminister Heiko Maas hat das Thema mit großem Engagement sowohl auf die Tagesordnung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gesetzt als auch im Rahmen der Stockholm-Initiative konkrete Schritte unternommen. Wir machen uns keine Illusionen über die russische Politik und die sicherheitspolitischen Gefahren sowie die Destabilisierung, die von ihr ausgehen.
Konkret geht es allerdings bei der Debatte um die Frage, ob die in Deutschland und Europa (Niederlande, Italien, Belgien, Großbritannien und Türkei) lagernden taktischen Nuklearwaffen der USA die Sicherheit Deutschlands und Europas erhöhen. Wollen wir immer noch an der Fiktion festhalten, man habe aufgrund der Tatsache, dass man mit Erlaubnis des US-Präsidenten im Kriegsfall frühzeitig Nuklearbomben ins Ziel bringen dürfe, in irgendeiner Form Einfluss auf die amerikanische Nuklearstrategie? Diese Argumentation stand schon zu Zeiten des Kalten Krieges auf tönernen Füßen.
… Seit George W. Bush haben wir eine Neuausrichtung von Nuklearwaffen als Mittel zur Kriegsführung. Die Nuclear Posture Review von 2018 hat die nukleare Schwelle weiter gesenkt. … Es gibt keine Mitsprache von Nichtnuklearmächten auf die Nuklearstrategie oder die Einsatzoptionen von Atommächten. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die USA, sondern für alle Atomwaffenstaaten. …
Entscheidend für meine Forderung nach einem Abzug der in Deutschland gelagerten Atombomben ist die Tatsache, dass sich das internationale Umfeld in den letzten Jahren grundlegend verändert hat. Die zunehmende geopolitische Konkurrenz zwischen den Atomwaffenstaaten, die Entwicklung neuartiger Waffen und die anhaltende Modernisierung und Diversifizierung von Nuklearwaffenarsenalen führen zu neuen Rüstungswettläufen, deren Finanzierung Milliarden verbraucht, die dann an anderer Stelle, etwa im Kampf gegen die Corona-Pandemie oder den Klimawandel, fehlen.
Im Koalitionsvertrag von SPD, CDU und CSU haben wir uns zum Ziel einer atomwaffenfreien Welt bekannt. Folgerichtig bleiben Rüstungskontrolle und Abrüstung prioritäre Ziele deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. …
Quelle: (Website Rolf Mützenich) — Wir brauchen eine offene und ehrliche Debatte — Veröffentlicht in „Die Bundeswehr“, Juni 2020, S.11