Zum 75. Jahrestag der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki hat Greenpeace eine Studie über die Auswirkungen von – relativ “kleinen” – Atombomben auf Berlin, Frankfurt und Büchel veröffentlich. Autorin ist die Atomexpertin und Physikerin Oda Becker. Christoph von Lieven, Greenpeace-Sprecher für atomare Abrüstung, begründet im Vorwort die Hintergründe und Motivation von Greenpeace, die Studie in Auftrag zu geben:
Greeenpeace will sich — angesichts der Aufkündigung von Rüstungskontrollverträgen und des Wettrüstens mit Waffen, die “Atomkriege begrenzt führbar” machen — stärker in die Debatte über eine atomwaffenfreie Welt und ein modernes Verständnis von Sicherheit einbringen. Greenpeace verfolge das Ziel, dass sich bis zu dem Bundestagswahlen im Herbst 2021 “alle Parteien dazu verpflichten, Deutschland und Europa als atomwaffenfreies Friedensprojekt zu gestalten“. Deutschland sollte dafür eine Vorrreiterolle durch Unterzeichnung und Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags einnehmen.
Hier Auszüge aus dem Christop Lievens Vorwort zur Studie, die direkt bei Greenpeace als PDF-Datei heruntergeladen werden kann.
Deutschland verfügt selbst über keine eigenen Atomwaffen. Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass auf dem Fliegerhorst im rheinland-pfälzischen Büchel etwa 20 US-amerikanische Atombomben lagern. Doch noch immer weiß ein großer Teil der Menschen in Deutschland nicht von der Existenz der Atombomben auf deutschem Boden.
Als Kampaigner für atomare Abrüstung bei Greenpeace bin ich der festen Überzeugung, dass die Menschen in Deutschland über diese Planungen und Risiken aufgeklärt sein sollten. So hält die Bundesregierung mit der NATO und einem unberechenbaren US-Präsidenten noch immer an einem veralteten Sicherheitsdenken fest, das auf Abschreckung und Vernichtungsdrohung setzt. Die in Büchel stationierten US-Atombomben sollen im Rahmen der nuklearen Teilhabe im Kriegsfall von deutschen Piloten ins Ziel geflogen werden. Damit macht sich Deutschland jedoch zum potenziellen Aggressor und selbst zur Zielscheibe eines möglichen Atomangriffs. Doch was bedeutet das konkret?
In dieser Studie geht Atomexpertin und Physikerin Oda Becker im Auftrag von Greenpeace erstmals der Frage nach, welche Auswirkungen eine Atombombenexplosion auf Deutschlands politisches Zentrum Berlin, auf das Finanzzentrum Frankfurt und
auf den Fliegerhorst Büchel konkret hätte. In dieser Analyse wurde bewusst von relativ „kleinen“ Atomwaffeneinsätzen ausgegangen. Tatsächlich verfügen die beiden Weltmächte USA und Russland über Atomwaffen, die bis zu tausendfach stärkere Sprengköpfe haben.75 Jahre nach den Atombombenangriffen auf Hiroshima und Nagasaki befindet sich die Welt in einem neuen atomaren Wettrüsten. Mit der Aufkündigung des INF-Vertrags über atomare Mittelstreckenraketen durch die USA und Russland erleben wir ein Wiederaufflammen der Dynamik des Kalten Krieges. Der letzte Abrüstungsvertrag, der New-START-Vertrag zur Begrenzung von strategischen Waffen, läuft im Februar 2021 aus, wenn es bei den kürzlich begonnenen Verhandlungen zu keiner Einigung kommt. Das US-Militär spricht davon, Atomkriege begrenzt führbar machen zu wollen.
Gegenwärtig werden in der Fachwelt auch die fatalen Auswirkungen von regional begrenzten, „kleinen Atomkriegen“ zwischen zwei Atomwaffenstaaten diskutiert. Ihre fatalen Auswirkungen mit Dürren, Temperaturstürzen, unbewohnbaren Gebieten und Flüchtlingsströmen zeigen, dass es im Falle eines Atomkriegs keine regionalen Begrenzungen gibt. In dieser Studie wird deutlich:
Die Auswirkungen von Atombombeneinsätzen wären schon in Deutschland verheerend für Menschen und Umwelt und müssen verhindert werden. Eine hier ebenfalls behandelte Untersuchung von Atomwaffenexplosionen in US-Städten zeigt deutlich den Zusammenbruch der Infrastruktur mit seinen Folgen. Was wir jetzt brauchen, ist ein neues Konzept von Sicherheit, das auf gegenseitige Vernichtungsdrohungen verzichtet, auf Kooperation setzt und Atomwaffen endgültig zu Relikten der Vergangenheit macht.
Mit dieser Studie tragen wir dazu bei, die notwendige Diskussion über eine atomwaffenfreie Welt und ein modernes Verständnis von Sicherheit zu führen. Vor den nächsten Wahlen im Herbst 2021 müssen sich alle Parteien dazu verpflichten, Deutschland und Europa als atomwaffenfreies Friedensprojekt zu gestalten.
Laut einer aktuellen Greenpeace-Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Kantar im Juli dieses Jahres geführt hat, sprechen sich 92 Prozent der Menschen in Deutschland dafür aus, dass Deutschland den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet. Deutschland hat die Chance, durch die Unterzeichnung und Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags einen wichtigen Schritt als Vorreiter für eine atomwaffenfreie Welt zu gehen. Deutschland sollte diese Chance nutzen. Diese Studie zeigt, was auf dem Spiel steht. Christoph von Lieven, Greenpeace-Sprecher für atomare Abrüstung
Quelle: 01.08.2020 – (Oda Becker) – Auswirkungen einer Atombombe auf Deutschland, Studie im Auftrag von Greenpeace
Weitere Info: Greenpeace-Website “Umwelt und Frieden”