Am 10. Juni 1963 hielt Präsident John F. Kennedy vor der American University in Washington eine Grundsatzrede über seine Entscheidung, dass die USA gegenüber der Sowjetunion eine “Strategy of Peace” entwickeln sollten anstelle der bis dahin verfolgten Strategie, mithilfe der militärischen Überlegenheit eine “Pax Americana” durchzusetzen.
Auslöser der Rede war John F. Kennedys Erfahrung, dass er im Herbst 1962 die vorbereitete militärische Eskalation der Kuba-Krise bis hin zum Einsatz von Atomwaffen gegen die UdSSR dadurch stoppte, dass er in direkten Verhandlungen mit Nikita Chruschtschow am 28. Oktober 1962 den Abzug der gegeneinander gerichteten Mittelstreckenraketen vereinbarte: Rüstungskontrolle zur Verhinderung des Atomkriegs!
Für diese erste Rüstungskontrollvereinbarung zwischen Washington und Moskau entschied sich John F. Kennedy – entgegen dem Rat der meisten Berater des Präsidenten und des Pentagon, mit Ausnahme des Verteidigungsministers McNamara. Danach wurden die sowjetischen Atomraketen aus Kuba sowie die amerikanischen Atomraketen aus der Türkei und Italien abgezogen.
Sein Motiv für diese einsame Entscheidung für „Rüstungskontrolle“ statt „Atomwaffeneinsatz“ erläuterte Kennedy in seiner Rede vor der American University am 10. Juni 1963. Geleitet habe ihn die Erkenntnis, dass „alles, was wir aufgebaut haben, … in den ersten 24 Stunden zerstört würde“.
Kennedys “Strategy of Peace” war das Vorbild für die Entwicklung der deutschen Entspannungspolitik Willy Brandts, die Egon Bahr rund einen Monat später, am 15. Juli 1963, in der Evangelischen Akademie Tutzing auf die Formel brachte: “Wandel durch Annäherung”.
Hier einige Zitate aus der Rede Präsident John F. Kennedys vor der American University, Washington, D.C. am 10.Juni 1963:
Welche Art Frieden streben wir an? Es geht hier nicht um eine PaxAmericana, die der Welt durch amerikanische Kriegswaffen aufgezwungen wird. … Ich spreche von echtem Frieden, von der Art Frieden, die das Leben auf der Erde lebenswert macht, ….
…Totaler Krieg ist in einem Zeitalter sinnlos, in dem Großmächte viele und relativ unbezwingbare Atomwaffen unterhalten können und sich weigern, ohne Einsatz dieser Waffen zu kapitulieren. Er ist sinnlos in einem Zeitalter, in dem die Explosion einer einzigen Atomwaffe nahezu zehnmal so stark ausfällt wie die Waffen aller alliierten Luftstreitkräfte des Zweiten Weltkriegs zusammen. …
Kein Regierungs- oder Gesellschaftssystem ist so übel gesinnt, dass die ihm angehörigen Menschen als tugendlose Wesen zu betrachten sind. Wir Amerikaner finden Kommunismus zutiefst abstoßend, weil in ihm persönliche Freiheit und Würde negiert werden. Trotzdem können wir den Russen aufgrund ihrer zahlreichen Errungenschaften zujubeln, in Wissenschaft und Raumfahrt, beim wirtschaftlichen und industriellen Wachstum, in der Kultur und bei mutigen Handlungen.
Unter all den Charakteristika, die die Menschen unserer beiden Länder gemein haben, ist keines so stark wie unsere einvernehmliche Verachtung von Krieg. Wir haben noch nie gegeneinander Krieg geführt, was unter den wichtigsten Weltmächten fast einzigartig ist. Und in der Kriegsgeschichte hat noch nie eine Nation dermaßen viel Leid ertragen müssen wie die Sowjetunion im Laufe des Zweiten Weltkriegs. …
Sollte heutzutage noch einmal ein totaler Krieg ausbrechen, egal wie, dann wären unsere beiden Länder die Hauptangriffsziele. … Alles, was wir aufgebaut haben, alles, wofür wir gearbeitet haben, würde in den ersten 24 Stunden zerstört werden. …
Kurzum, sowohl die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten als auch die Sowjetunion und ihre Alliierten haben ein tiefes, auf Gegenseitigkeit beruhendes Interesse daran, dass ein gerechter und ehrlicher Frieden herrscht und dem Wettrüsten Einhalt geboten wird.
Quellen:
Deutsche Übersetzung der Rede auf der Abschlussfeier der American University
Originaltext: John F. Kennedy: Commencement Address at American University in Washington
Video-Aufzeichnung der friedenspolitische Teile der Kennedy-Rede vom 10.06.1963