IPPNW-Pressemitteilung 09. September 2022
IPPNW fordert mehr Diplomatie – Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein
Anlässlich der gestrigen Entscheidung der Ukraine-Kontaktgruppe, weitere schwere Waffen in das Kriegsgebiet zu liefern, fordert die Friedensnobelpreisträger-Organisation IPPNW von der Bundesregierung die Initiative für eine multilateral getragene Vermittlung zu einem Waffenstillstand und Verhandlungen.
Die Ärzteorganisation begrüßt den Appell „Die Waffen müssen schweigen“ einer Gruppe von SPD-Politiker*innen von Ende August 2022, in dem sie auf einen schnellstmöglichen Waffenstillstand drängen. Die Autor*innen plädieren darin für eine Vermittlerrolle bisher neutraler Länder, stellen sich gegen Aufrüstungspläne der Bundesregierung und warnen unter Verweis auf die Gefahr eines Atomkrieges vor der Lieferung von Kampfpanzern oder Kampfjets an die Ukraine.
Mit großer Sorge nimmt die IPPNW zur Kenntnis, dass es keine erkennbaren diplomatischen Fortschritte für eine Verhandlungslösung gibt. Gestern hatte sich die Ukraine-Kontaktgruppe auf Einladung des US-Verteidigungsministers Lloyd Austin erneut in Ramstein getroffen, um über die militärische Unterstützung der Ukraine zu beraten. Nach Medienangaben wurde der Ukraine vom US-Verteidigungsminister ein Paket mit Waffen, Munition und gepanzerten Fahrzeugen im Wert von 675 Millionen Dollar zugesagt, womit die gesamte Hilfe der USA für die Ukraine seit dem Amtsantritt der Regierung von Präsident Joe Biden auf 15,2 Milliarden Dollar ansteigt. Die Bundesregierung kündigte an, neben schon zugesagten Gepard-Panzern auch Brückenlegepanzer des Typs Biber zu liefern.
Durch den Ukraine-Krieg hat sich das Risiko einer nuklearen Eskalation grundsätzlich erhöht. „Wichtig ist, sich bewusst zu sein, dass das Risiko steigt, wenn Russland in die Defensive gerät“, lautet die Warnung der vier führenden Friedens- und Konfliktforschungsinstitute im Friedensgutachten. Dieses führt aus, Russland könne taktische Atomwaffen einsetzen, um konventionelle Übermacht zu gewinnen, und im Falle einer Eskalation könnten NATO-Einrichtungen in Deutschland und hier stationierte US-Kernwaffen früh zu möglichen Zielen werden.
„Dieses Risiko ist selbst bei geringer Eintrittswahrscheinlichkeit aufgrund der katastrophalen Folgen viel zu hoch, um weiter Öl ins Feuer zu gießen. Ein weiteres Bedrohungsszenario ist zudem die drohende Gefahr eines Super-GAUs um das Atomkraftwerk in Saporischschja,“ erklärt die IPPNW-Vorsitzende Dr. med. Angelika Claußen. „Die Ukraine-Kontaktgruppe muss angesichts dieser drohenden Nuklearkatastrophen ganz andere Prioritäten setzen: Gesprächsangebote an Russland, um die genauen Bedingungen für eine demilitarisierte Zone um das AKW Saposrischschja unter UN-Aufsicht auszuhandeln. Dies wäre nach dem Getreideabkommen ein weiter Schritt in Richtung Verhandlungslösungen. “
Es ist unstrittig, dass der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine völkerrechtswidrig ist. Gleichzeitig erfordert es gemeinsames Handeln, den Krieg zu beenden und Frieden zu schaffen. Die IPPNW gibt sich nicht damit zufrieden, dass die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock Friedensgespräche mit dem russischen Präsidenten ausschließt und – entgegen den Empfehlungen der führenden deutschen Friedens- und Konfliktforschungsinstitute – auf einen militärischen Sieg der Ukraine setzt, statt dazu beizutragen, Russland zu einer Verhandlungslösung zu bewegen.
Auch die Bundesbürger sind zu 77 Prozent der Meinung, dass der Westen Verhandlungen über eine Beendigung des Ukraine-Kriegs anstoßen sollte, so eine kürzlich veröffentlichte Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Für diese Verhandlungen sind Vermittlung, ein günstiges Zeitfenster und eine perfekte Vorbereitung notwendig. Wann sich ein Zeitfenster öffnet, ist schwer vorherzusagen – es kann sich auch wieder schließen. Ein international abgestimmtes Vorgehen muss daher schnell möglich sein. Dies mit vorzubereiten, sollte Aufgabe der Bundesregierung sein.
- Link auf IPPNW-Papier „Waffenstillstand und Frieden“: https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Waffenstillstand_und_Frieden_Ukrainekonflikt.pdf
- Kontakt:Lara-Marie Krauße (Pressereferentin IPPNW), Tel. 030 698 074 15, E-Mail: krausse@ippnw.de