Es ist eine eher beiläufige Zahl. Doch sie zeigt das ganze Ausmaß der Tragödie. Von den sowjetischen Frontsoldaten der Jahrgänge 1922 bis 1924 haben nur drei Prozent den Krieg überlebt. Fast eine ganze Generation wurde ausgelöscht. Die wenigen Überlebenden blieben gezeichnet. Man muss sich solche Zusammenhänge wohl in Erinnerung rufen, um zu verstehen, welches Ausmaß an Leid hinter jenen nüchternen Opferzahlen stehen, die man aus den Geschichtsbüchern hinreichend kennt.
Andrei Kortunov: Feinde für ewig?
ch wurde 1957 geboren, zwölf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Aus historischer Sicht sind zwölf Jahre keine allzu große Zeitspanne. In meiner Kindheit erinnerte mich der Widerhall des Kriegs von Zeit zu Zeit an die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit: beinamputierte Kriegsversehrte in den Moskauer Vorstadtzügen, aus Straßenlautsprechern schallende Kriegslieder, die 1-Rubel-Gedenkmünze zum „20. Jahrestag des Sieges“ mit dem Bildnis des Sowjetischen Soldaten als Befreier vom sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park in Berlin. ... Ich glaube, diese meine zutiefst persönliche Wahrnehmung des 22. Juni ist keine Ausnahme, sondern eher die Regel bei den Russen der älteren Generationen und vielen meiner Altersgenossen im postsowjetischen Raum. ...
Kaum findet man heute auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion noch Menschen, die die Bundesrepublik des dritten Jahrzehnts des einundzwanzigsten Jahrhunderts direkt mit dem Dritten Reich der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts in Verbindung bringen. ...