Die Amerikaner haben die Schnauze voll vom endlosen Krieg –
von Stephen Miles in
Sonderheft – Warum wir einen grundlegenden Wandel der Außenpolitik brauchen:
Warum hat sich nach jahrelangen außenpolitischen Fehlschlägen so wenig verändert? – ein Blick auf Meinungsumfragen in den USA –
Seit fast 17 Jahren haben die Vereinigten Staaten einen “Krieg gegen den Terror” geführt, der katastrophal nach hinten losgegangen ist. Heute gibt es mehr terroristische Aktivitäten als 2001 beim Einmarsch in Afghanistan. Es gibt mehr unregierbare Gebiete und gescheiterte Staaten, die ein Vakuum schaffen, in dem die Gewalt gedeiht. Und es gibt jetzt eine Generation von Menschen, für die “Amerika” nichts anderes ist als der Feind, der Bomben auf ihre Häuser wirft und ihre korrupten “regierenden” Regierungen stützt.
Bei solch einer Erfolgsbilanz des Scheiterns lohnt es sich zu fragen: Warum hat sich so wenig verändert?
Warum versucht unser Land weiterhin, seinen Weg zum Frieden herbeizutöten?
Warum schicken wir weiterhin amerikanische Männer und Frauen in Dörfer, von denen die meisten Amerikaner noch nie gehört haben? Warum geben wir Billionen Dollar für diese Kriege aus? Warum gehen sie sowohl unter progressiven Internationalisten wie Barack Obama als auch bei “America First” Irrläufern wie Donald Trump nach? Und warum werden sie von unseren Kongressabgeordneten unterstützt – von liberalen Demokraten bis hin zu konservativen Republikanern?
Es wäre ihnen zu verzeihen, wenn die politischen Entscheidungsträger dem Willen der Menschen folgen würden. Sicherlich müssen die Vertreter, Senatoren und Präsidenten, die für US-Militärinterventionen gestimmt, sie finanziert und geleitet haben, ihren Wählern zugehört haben. Selbst in unserem beschädigten überparteilichen politischen System muss es einige Wähler geben, die unerbittlich dieser gescheiterten Politik folgen wollen.
Aber Wahlergebnisse und Meinungsumfragen machen deutlich, dass diese Annahme kaum weiter entfernt von der Wahrheit sein kann. Die amerikanische Öffentlichkeit hat die Misserfolge unserer militarisierten Außenpolitik satt, sie hofft begierig darauf, Kandidaten zu unterstützen, die einen neuen Weg versprechen, und ist für dramatische Veränderungen in den Prioritäten unserer nationalen Sicherheitspolitik.
Fangen wir mit den Wahlen an. Während der letzten drei Präsidentschaftskampagnen entschieden sich die Amerikaner jeweils für den Kandidaten, der eine weniger interventionistische Außenpolitik versprach. In der Tat, Forschungsergebnisse zeigen, dass bei der Wahl 2016 die Unzufriedenheit der Wähler mit unseren Kriegen im Nahen Osten ein wichtiger Faktor für Trumps Wahlsieg war. Kommunen, die die Hauptlast der US-Kampftoten seit 9/11 trugen, unterstützten eher Trump, weil er trotz seiner späteren militaristischen Wende als Präsident vor den Wahlen von unseren ausländischen Interventionen genug zu haben schien. Selbst nach Kontrolle anderer Faktoren zeigten die Daten, dass die Opfer unserer endlosen Kriege ausgerechnet Trump ins Oval Office brachten.
Und das ist nicht nur die Spitze des Eisbergs. Anfang dieses Jahres hat mein Team von ”Win Without War” umfassend untersucht, was mit den 528 Kongressabgeordneten geschah, die für oder gegen den Irakkrieg stimmten. Kurz gesagt, diejenigen, die versuchten, den Krieg zu stoppen, wurden doppelt so häufig in den Kongress gewählt als ihre Kriegskollegen. Die Wähler haben die „Friedlichen“ mit ihrer Stimmabgabe hoch und runter belohnt und die ”Falken” bestraft.
Wir müssen nicht darüber spekulieren, warum: Die aktuelle Meinungsforschung zeigt genau, wo die amerikanische Öffentlichkeit steht. ”TheNation” wies kürzlich auf neue Untersuchungen, die zeigten, dass die Amerikaner die progressive Position zur nationalen Sicherheit (weniger Ausgaben für das Pentagon, weniger Atomwaffen, weniger ausländische Waffenverkäufe usw.) mit einer Drei-zu-Eins-Mehrheit bevorzugen. Während Trump und die Republikaner kürzlich eine Erhöhung des Pentagon-Haushalts um 80 Milliarden Dollar durchgesetzt haben, sagten die Wähler, sie hätten lieber das Budget des Pentagons um 41 Milliarden Dollar gekürzt.
Je mehr man die Umfragen untersucht, desto klarer wird das Bild dessen, was die Amerikaner für ihre Außenpolitik wollen. Bei der Analyse der Umfragedaten von ”YouGov” fanden wir eine bemerkenswert stabile Unterstützung für die Diplomatie mit Nordkorea. Im letzten Sommer, auf dem Höhepunkt von Trumps Rede von “Feuer und Wut”, unterstützten die Amerikaner direkte Gespräche zwischen den beiden Nationen mit 71 gegen 13 Prozent – eine Marge von 58 Prozent! Heute, nach Beginn dieser Gespräche, unterstützen die Amerikaner Diplomatie mit 70 gegen 11 Prozent – eine Marge von 59 Prozent. Diese Festlegung auf Diplomatie blieb unabhängig von Partei, Alter, Geschlecht oder anderen verfügbaren Maßstäben durchgängig das gleiche Ergebnis.
Und nur wenige Tage, bevor Trump uns aus dem iranischen Atomprogramm-Abkommen herausholte, fand eine Umfrage die Unterstützung der Bevölkerung für das Abkommen auf einem Rekordhoch. Am Tag nachdem Trump seine Entscheidung getroffen hatte, fand eine weitere Umfrage heraus, dass fast zwei Drittel der Amerikaner meinten, dass das Land Teil des Abkommens bleiben sollte.
Es ist nicht schwer zu sehen, was hier passiert ist. Seit mindestens 2001 haben Politiker, Experten und “Experten” der Politik den Amerikanern gesagt, wir müssten zum Schutz des Landes in den Krieg ziehen und alles dafür ausgeben, was nötig ist. Doch nach all den massiven menschlichen Kosten, Billionen von vergeudeten Dollars und leeren Versprechungen von “Vollendung der Mission” gehen die Kriege weiter. Was sich geändert hat, ist, dass die Amerikaner das Verkaufsargument nicht mehr kaufen.
Aber trotz dieses überwältigenden Konsenses für den Wandel in der Außenpolitik läuft der Status quo weiter. Veränderungen werden erst dann eintreten, wenn wir aufhören, führende Politiker zu akzeptieren, die sich weigern, zur Mehrheit der Amerikaner zu stehen.
Schon jetzt können wir erste Anfänge einer neuen Außenpolitik sehen, weil führende Mitglieder des Kongresses – wie z.B. die Senatoren Bernie Sanders (I-VT) und Chris Murphy (D-CT) – und die Repräsentanten Ro Khanna (D-CA) und Barbara Lee (D-CA) ein Ende unseres verheerenden Krieges im Jemen sowie Diplomatie im Umgang mit Nordkorea fordern. Jetzt liegt es an uns, diese Fortschritte in einen Tsunami des Wandels zu verwandeln. Die gute Nachricht, dass die amerikanische Öffentlichkeit bereits mit uns ist, sollte uns ermutigen!
Stephen Miles ist Direktor von ”Win Without War“
Quelle: 20. Juni 2018, TheNation, Stephen Miles; Americans Are Sick of Endless War — With years of foreign-policy failures, why has so little changed?
Dieser Artikel war erstmals publiziert vom TheNation Magazin und wurde mit freundlicher Genehmigung des Autors von der Redaktion übersetzt und in unserer Homepage veröffentlicht.