Keine Blankoschecks mehr für Kriege!
Kongressabgeordnete Barbara Lee in
Sonderheft – Warum wir einen grundlegenden Wandel der Außenpolitik brauchen
In ihrem Beitrag begründet die Kongressabgeordnete Barbara Lee die Initiativen von Kongressabgeordneten gegen die Ermächtigung zum Einsatz militärischer Gewalt (AUMF):
Nach fast 17 Jahren Krieg in Afghanistan ist kein Ende in Sicht. Unsere Strategie und Ziele für die Region sind aussichtslos und schlecht definiert. Trotz ununterbrochener Fortsetzung der Gewalt stellen sich Kongress und Medien blind gegenüber dem Konflikt.
Trotz der Billionen von Dollars, die für den sogenannten Krieg gegen den Terror ausgegeben wurden – eine Summe, mit der wir jeden jungen Menschen in den Vereinigten Staaten kostenlos zum College hätten schicken können – haben wir so gut wie nichts in einen Friedensprozess investiert, um unsere Militäroperationen zu beenden.
Es ist noch schlimmer: Was als lokal begrenzter Konflikt begann, hat sich jetzt zu einer Kriegszone bis in fast jeden Winkel der Erde ausgedehnt. Wir sind jetzt aktiv in Konflikte in sieben Ländern involviert: Afghanistan, Irak, Syrien, Jemen, Somalia, Libyen und Niger.
Während diese Kriege weiter wüten, versäumt der Kongress, über unsere militärischen Aktionen zu diskutieren und abzustimmen, ja in einigen Fällen sie sogar überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.
Damals im Jahr 2001 begann genau der Sumpf, den ich befürchtete. Nur drei Tage nach dem 11. September gab der Kongress den Weg frei für den Krieg gegen die Verschwörer und alle anderen, die an der Durchführung der Terroranschläge beteiligt waren. Dieses Gesetz, das als AUMF (Authorization for Use of Military Force) bekannt ist, war ein Blankoscheck für jeden Präsidenten, irgendwo auf der Welt Krieg zu führen, und zwar ohne Beteiligung des Kongresses.
Ich stimmte als einzige Abgeordnete dagegen, da ich nicht mit gutem Gewissen eine so unbegrenzte Ermächtigung unterstützen konnte.
In den Jahren danach wurde die AUMF von 2001 zu einem Freibrief für Dutzende von Militäroperationen. Von Drohnenangriffen in Jemen und Libyen über die zeitlich unbegrenzten Inhaftierungen in Guantánamo Bay bis hin zu den illegalen Abhörmaßnahmen hier in unserem Land haben die Präsidenten beider Parteien diese Ermächtigung missbraucht, um uns tiefer in Kriege auf der ganzen Welt hinein zu ziehen. Der Krieg in Afghanistan geht ohne Debatte oder Strategie des Kongresses weiter. Laut einem Bericht des Congressional Research Service aus dem Jahr 2018 wurde die AUMF von 2001 mindestens 41 Mal für militärische Aktionen in 18 verschiedenen Ländern genutzt – und dies sind nur die nicht geheimgehaltenen Vorgänge!
Seit Jahren erlebe ich, wie die Gesetzgeber im Kongress unser Recht auf Entscheidung über Kriege an das Weiße Haus abtreten. Und ich habe meine KollegenInnen immer wieder gedrängt, die AUM 2001 aufzuheben und stattdessen sich mit einer diplomatischen Strategie für einen umfassenden Friedensplan in Afghanistan und der Region einzusetzen.
Angesichts des unberechenbaren und willkürlichen Verhaltens von Präsident Trump im Oval Office können wir nicht länger damit warten, diesen Blankoscheck für den Krieg zu beseitigen.
Mitglieder beider Parteien stimmen überein: Im letzten Sommer verabschiedete der Ausschuss für Haushaltsanträge meinen Änderungsantrag zur Aufhebung der AUMF 2001 nahezu einstimmig. Dieser Änderungsantrag sah vor, die AUMF-Ermächtigung acht Monate nach Verabschiedung des Gesetzes zu streichen und dem Kongress ausreichend Zeit zu geben, ein aktualisiertes Gesetz zur Ermächtigung zu militärischer Gewaltanwendung zu erörtern und zu verabschieden.
Aber dann zog der Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, auf Drängen der Trump-Regierung den aus beiden Parteien unterstützten Änderungsantrag einseitig und ohne Absprache zurück. Das war ein frustrierender Rückschlag, der deutlich machte, wie weit die republikanische Führung gehen will, um die alleinige Befehlsgewalt von Präsident Trump beizubehalten. Aber nach wachsender Unterstützung durch das amerikanische Volk und durch eine parteiübergreifenden Koalition, die im Kongress die Trommel schlägt, glaube ich wirklich, dass die Zeit für diese Debatte gekommen ist.
Zur Zeit berät der Senat einen Vorschlag der Senatoren Tim Kaine (D-VA) und Bob Corker (R-TN), die AUMF von 2001 zu aktualisieren. Ich begrüße ihre Entschlossenheit, diese Debatte zu führen und sicherzustellen, dass der Kongress seine verfassungsmäßigen Pflichten erfüllt. Ich fürchte jedoch, dass der Entwurf – anstatt Donald Trump und die künftigen Präsidenten einzuschränken – eine Ermächtigung zur Gewaltanwendung enthält, die dem Präsidenten die Ermächtigung zum Führen unserer Kriege erteilt und diesen Blankoscheck auf ewig ausweitet.
Nach dem Vorschlag der Senatoren Corker-Kaine hätte Präsident Trump die Vollmacht, den geografischen Umfang militärischer Engagements zu erweitern und zusätzliche Ziele mit nur minimalem Input des Kongresses hinzuzufügen. Durch Verzicht auf Festlegung eines Ablaufdatums ignoriert ihr Vorschlag die Lehren des vergangenen Jahrzehnts und ermöglicht es den Präsidenten, die Praxis des ewigen Krieges fortzusetzen.
Falls und wenn wir die AUMF-Ermächtigung von 2001 abschaffen würden, müsste der Kongress darüber nachdenken, wie wir uns aus diesen Kriegen befreien können – und nicht nur den Status Quo festschreiben. Mit dem Abgeordneten Walter Jones (R-NC) schrieb ich einen überparteilichen Brief an den Senat, der von 49 unserer Kollegen aus beiden Parteien unterzeichnet wurde und den Senat aufforderte, jede neue AUMF-Ermächtigung zuerst dem Kongress zur Prüfung vorzulegen..
Nach 17 Jahren in Afghanistan ist es höchste Zeit, damit aufzuhören, ohne Ausstiegsstrategie und ohne Friedensplan Leben und Ressourcen zu verschwenden. Der Kongress sollte jetzt handeln, um den Prozess voran zu beginnen, der unsere mutigen Kräfte aus diesem fernen Land nach Hause holt.
Die wichtigste Lehre aus dem Krieg gegen den Terror ist, dass wir unseren Weg zum Frieden nicht herbeibombardieren können. Wir sind es dem amerikanischen Volk – und insbesondere unseren Männern und Frauen in Uniform – schuldig, die Beendigung unserer ewigen Kriege zu fordern und mit dem Friedensprozess in Afghanistan zu beginnen.
Der Kongress muss endlich die unkontrollierten Kriegsvollmachten der Exekutive stoppen, indem er die AUMF-Ermächtigung von 2001 aufhebt, um den Krieg in Afghanistan zu beenden und schließlich eine ernsthafte Debatte und Abstimmung über die Kosten und Konsequenzen unserer ewigen Kriege zu führen – bevor es zu spät ist.
Dieser Artikel war erstmals publiziert vom The Nation Magazin und wurde mit freundlicher Genehmigung von der Redaktion übersetzt und in unserer Homepage veröffentlicht.
Quelle: Barbara Lee – No more Blank Checks for War
Barbara Lee (D-CA) ist seit 1998 für Kalifornien Abgeordnete der Demokraten im US-Kongress und erhielt bei den Kongresswahlen am 6. November 2018 in ihrem Wahlkreis mit 88,6 % eines der höchsten Wahlergebnisse. Sie seit langem auch friedenspolitisch engagiert. Sie war eine ausgesprochene Gegnerin des Irakkriegs. Im Jahr 2001 stimmte sie als einzige Kongressabgeordnete nach dem Terroranschlag vom 11. September gegen die Ermächtigung zum Einsatz militärischer Gewalt (AUMF) stimmte, weil sie befürchtete, dass diese AUMF zu einem Blankoscheck für endlose Kriege werden würde: Seit 2013 wurde die AUMF Ermächtigung mehr als 30 Mal verwendet, um Militäraktionen ohne Aufsicht des Kongresses durchzuführen. Barbara Lee arbeitete im Kongress weiter daran, die AUMF aufzuheben und die von der US-Verfassung vorgeschriebene Oberhoheit des Kongresses über Krieg und Frieden wiederherzustellen.
Gegenwärtig ist Barbara Lee im Repräsentantenhaus u.a. Mitglied des Haushaltsausschuss und des Beschaffungskomitees sowie Co-Vorsitzende des Pro-Choice Caucus.
Barbara Lees friedenspolitisches Engagement reicht weit zurück: 1975 begann sie als Praktikantin beim Kongressabgeordneten Ron Dellums und arbeitete für ihn dann als Stabschefin bis 1987. Sie war damals eine der wenigen afroamerikanischen Frauen in Kongress-Leitungsfunktionen. Ron Dellums war der erste afroamerikanische Vorsitzende des Kongress-Streitkräfte-Komitees — und ebenso wie Barbara Lee aktiv in der US-Friedensbewegung. Gemeinsam mit der Freeze-Campaign und dem Arms Control Caucus lud Dellums im September 1983 Willy Brandt zu Diskussionen über transatlantische Zusammenarbeit von Politik und Friedensbewegung gegen das atomare Wettrüsten ein.