Zur Deeskalation des Ukraine-Konflikts müssen sich Putin und Biden bewegen – Es braucht zwei für einen Tango!
schreibt Andreas Zumach in seinem Kommentar und fordert von den Präsidenten konkrete Vereinbarungen zur Deeskalation anstatt weiterhin einseitige “Narrative” der langen Vorgeschichte der Konfrontation zu wiederholen:
Der seit Jahren ständig eskalierende Konflikt zwischen Russland und den Mitgliedsstaaten der NATO um die Ukraine hat einen kriegsgefährlichen Höhepunkt erreicht. Das für Dienstag angekündigte Gipfeltelefonat zwischen den Präsidenten Putin und Biden kann nur dann zu einer Entschärfung beitragen, wenn beide Seiten sich bewegen.
Die in der Brüsseler NATO-Zentrale und den westlichen Haupstädten erhobene sowie in den meisten Medien sekundierte Forderung, nur Putin müsse einen Schritt machen und die in der Tat besorgniserregende Konzentration von Truppen und schweren Waffen im Grenzgebiet zur Ukraine beenden, wird scheitern. Denn diese einseitige Forderung folgt dem im Westen weitverbreiteten Narrativ, die Konfrontation in den Beziehungen mit Moskau habe erst mit Russlands völkerrechtswidriger Annexion der Krim im März 2014 und der seitdem anhaltenden Unterstützung der Sezessionisten im Donbas begonnen. Dieses Narrativ ist falsch.
Die Verschlechterung der Beziehungen begann bereits mit der NATO-Osterweiterung, die ab 1996 vollzogen wurde unter Bruch des Versprechens, das US-Außenminister Baker, Bundeskanzler Kohl und Außenminister Genscher dem sowjetischen Präsidenten Gorbatschow Anfang Februar 1990 nachweislich gegeben hatten. Der schwere historische Fehler der NATO-Osterweiterung – statt auf das von Gorbatschow vorgeschlagene „Gemeinsame Haus Europa“ und ein kollektives, auch für Polen und die baltischen Staaten verläßliches Sicherheitssystem mit Russland im Rahmen der OSZE zu setzen – ist zwar heute wahrscheinlich leider nicht mehr revidierbar.
Doch die NATO hätte mit der Rücknahme ihrer Gipfelentscheidung von 2008, auch noch der Ukraine die Option auf eine Mitgliedschaft zu eröffnen, in den letzten Jahren längst ein wichtiges Deeskalationssignal nach Mokau schicken können. Dieser weiterhin richtige Schritt ist, nachdem inzwischen eine entsprechende Forderung der Regierung Putin öffentlich auf dem Tisch liegt und Biden im Vorfeld des Telefonats mit Putin „rote Linien“ Russlands bereits abgelehnt hat, sicher schwieriger geworden.
Doch es gibt auch andere Deeskalationsschritte, die die beiden Präsidenten bilateral vereinbaren oder auch unilateral unternehmen könnten:
Am dringendsten wäre die sofortige Wiederbeitritt zum „Open Skies-Abkommen“ über vertrauensbildende Maßnahmen im Luftraum, den nach dem Austritt der USA unter Präsident Trump auch Russland aufgekündigt hatte. Wie dringend diese Maßnahme wäre, unterstreicht die Beinahe-Kollision eines russischen Passagierflugzeuges mit einem westlichen Aufklärungsjet über dem Schwarzen Meer am Samstag. Weitere hilfreiche Deeskalationsschritte wären die Einstellung jeglicher militärischer Unterstützung Rußland für die Sezessionisten im Donbas und der USA für die Regierung der Ulkraine sowie der Rückzug russischer sowie NATO-unterstellter Truppen aus Regionen beiderseits der Grenze.
Andreas Zumach — zumach@taz.de —
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