Dokumentation des SWR: ‘Kann künstliche Intelligenz einen Atomkrieg auslösen?’
Die Weltuntergangsuhr steht auf 100 Sekunden vor 12.
Diejenigen, die seit 1947 mit dieser Uhr warnen, sind keine Friedensaktivisten, sondern führende Atomwissenschaftler.
Zum Vergleich: Im Jahr 1991 war es 17 Minuten vor 12 – der Kalte Krieg war beendet, Nuklearwaffen wurden abgebaut. Doch seither hat sich bei der Waffentechnik, aber auch bei den Entscheidungswegen, vieles geändert.Bedenklich ist laut Sicherheitsexperten vor allem der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). Künstliche Intelligenz kann eine mögliche Angriffs- und Abwehrsituation wesentlich schneller analysieren als jeder Mensch. Doch bei der Analyse wird es möglicherweise nicht bleiben: US-amerikanische Militärforscher fordern eine sogenannte „tote Hand“, ein Abwehrsystem, bei dem nicht Menschen entscheiden, sondern bei dem die Technik sogar selbstständig einen Atomschlag auslösen könnte. Auch in Russland gibt es Bestrebungen, künstliche Intelligenz in der nuklearen Abwehr einzusetzen.
Mehr Einsatz von KI könnte auch bedeuten, dass es durch die technische Beschleunigung weniger Zeit für Diplomatie und Verhandlungen gibt. Und es besteht die reale Gefahr, dass die KI Fehler macht und versehentlich einen Atomschlag auslöst. Künstliche Intelligenz, so KI-Experte Karl Hans Bläsius, sei keineswegs unfehlbar. Das hat sich bereits in anderen Bereichen gezeigt. Zum Beispiel Unfälle beim autonomen Fahren oder die Abstürze der Boeing Max, bei denen der Computer jeweils eine falsche Entscheidung traf. Menschen machten zwar auch Fehler, doch bisher entschieden sie sich bei Alarmen immer gegen einen Atomschlag. Menschen ziehen auch einen Fehlalarm in Betracht und sie wissen, was ihr Entschluss bedeutet. Die KI käme dagegen zu einer Entscheidung ohne Zweifel.
Ein weiterer Faktor treibt die neue Rüstungsspirale an: Bisher hatten die Atommächte auf Abschreckung gesetzt – die Gefahr eines Gegenschlags sorgte Jahrzehnte dafür, dass keiner einen Angriff mit atomaren Waffen wagte. Doch inzwischen wird von den USA, Russland und China eine neue Generation von Offensivwaffen entwickelt: Hyperschall-Flugkörper können den Gegner so schnell treffen, dass eine Abwehr oder ein Gegenschlag unmöglich wird.
Ein Luftkampfsystem für Deutschland
Neue Waffensysteme sollen nicht nur intelligent und autonom, sondern auch besonders präzise arbeiten. Dr. Ulrich Kühn vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg kritisiert diese Entwicklungen und wie diese technologische Aufrüstung verkauft wird: Es werde die Vorstellung geweckt, dass es einen „sauberen Krieg“ geben könne, sozusagen KI gegen KI. Ohne menschliche Opfer. Doch das sei eine Utopie.
Ein Beispiel für ein neues, smartes Kriegsgerät ist das Future Combat Air System, an dessen Entwicklung außer Frankreich und Spanien auch Deutschland beteiligt ist. 2040 soll es in Europa zum Einsatz kommen – bestehend aus einem supermodernen Kampfflugzeug, unbemannten Begleitflugzeugen und einer „Combat Cloud“…..
Sendung am 25.03.2021 im SWR ab 22:00 Uhr:
https://www.swr.de/wissen/odysso/warum-uns-neue-kriegsgefahren-drohen-100.html