Der Bund für Soziale Verteidigung (BSV) hatte unter den Titel “Friedenspolitik ist (über)lebenswichtig!” ein CHECKHEFT ZUR Bundestagswahl 2021 veröffentlicht und anschließend Wahlprüfsteine mit acht Fragen an die demokratischen Bundestagsfraktionen verschickt. Geantwortet hatten die Fraktionen von SPD, Bündnis 90 Die Grünen und Die Linke. Die Fraktionen von CDU/CSU und FDP hatten bis zum 15. September keine Antwort geliefert.
Hier die Antworten von SPD, Die Grünen und Die Linke auf die friedenspolitischen Fragen des BSV:
Frage: Die Präsenz der NATO-Gruppen in Osteuropa trägt zur Eskalation des Konflikts mit Russland bei. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass NATO-Truppen aus Osteuropa abgezogen werden und ein Dialog mit Russland begonnen wird, dessen Ziel die Schaffung gemeinsamer Sicherheit in Europa ist?
SPD: “Wir stehen weiterhin fest an der Seite unserer Bündnispartner im Baltikum, die sich nach der russischen Annexion der Krim und der anhaltenden Destabilisierung in der Ostukraine durch das aggressive militärische Auftreten Russlands bedroht fühlen. Die deutsche Beteiligung an der NATO-Mission Enhanced Forward Presence führen wir deshalb so lange wie nötig weiter. […] Die engen (zivil) gesellschaftlichen Verbindungen zwischen Russland und Deutschland bzw. unseren europäischen Partnern wollen wir […] aufrechterhalten und vertiefen.”
Die Grünen: “Nein. Die völkerrechtswidrige Annektion der Krim, das militärische Vorgehen gegen die Ukraine und das Verhalten Russlands gegenüber seinen Nachbarstaaten haben wiederholt belegt, dass sich die östlichen Partnerstaaten nicht zu Unrecht bedroht fühlen. Wir GRÜNE unterstützen die Rückversicherungsmaßnahmen der NATO in Osteuropa […]. Zusätzlich braucht es beiderseits verstärkte Bemühungen […] [d]azu gehört auch die Wiederbelebung der konventionellen und nuklearen Abrüstung und des Sicherheitsdialogs mit Russland.[…]”
Die Linke: “Ja. […] [Es] ist und bleibt […] Ziel linker Außenpolitik, in Europa Frieden und Stabilität zu erhalten und zu festigen – dies kann nie ohne, oder gar gegen Russland geschehen. […] Die LINKE fordert […] eine Ablehnung aller westlichen Militärmanöver und insbesondere ein Ende jeglicher deutscher Truppenpräsenz östlich der Oder-Neiße-Linie. Die LINKE strebt weiterhin eine Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein transeuropäisches System der gegenseitigen Sicherheit , das Russland einschließt, an […]”
Frage: Werden Sie sich für die Weiterentwicklung und die finanzielle Förderung von Zivilem Peacekeeping durch extra dafür bereitgestellte Mittel einsetzen, wie es in den Leitlinien zur Krisenprävention versprochen wurde?
SPD: “Die SPD sieht eindeutig die Notwendigkeit, den Zivilen Friedensdienst weiter auszubauen. […] Deutschland [nimmt] bei der internationalen Friedensförderung […] eine weltweite Führungsrolle ein und ist in den letzten Jahren immer wieder eingesprungen, um zivile Konfliktbearbeitung zu stützen. Dieses intensive Engagement wollen wir mit den erforderlichen personellen und finanziellen Mitteln […] fortsetzen und weiter ausbauen, indem wir unter anderem das Zentrum für internationale Friedenseinsätze stärken.”
Die Grünen: “Ja. […] Die Leitlinien zur Krisenprävention wollen wir um einen Aufbauplan mit zivilen Planzielen ergänzen, die personellen und finanziellen Mittel für zivile Krisenprävention langfristig gezielt erhöhen und planbarer machen, die Reserve an schnell einsetzbaren Mediator*innen und Expert*innen für Konfliktverhütung und Friedenskonsolidierung erhöhen, den Zivilen Friedensdienst, das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze stärken. […]”
Die Linke: “Ja, DIE LINKE hat allerdings erhebliche Kritik an den derzeitigen Leitlinien, insbesondere an der Vermischung außen-, entwicklungs- und verteidigungspolitischer Instrumente. Den Ansatz des zivilen Peacekeeping unterstützen wir aber unbedingt. Unsere Bundestagsfraktion hat […] beantragt, 10 Mio. Euro für die Unterstützung des Unbewaffneten zivilen Peacekeeping (unarmed civilian protection, UCP) vorzusehen. […]”
Frage: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern verboten wird?
SPD: “Für die SPD ist eine restriktive Rüstungsexportpolitik zentral. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Ausfuhr deutscher Rüstungsgüter in Staaten außerhalb von EU-, NATO- und denen gleichgestellten Ländern weiter eingeschränkt, die Kontrolle über den endgültigen Verbleib der Waffen ausgeweitet und absolute Ausnahmen nur im begründeten Einzelfall möglich sein werden – öffentlich nachvollziehbar dokumentiert. […]”
Die Grünen: “Ja, zumindest wenn es um Exporte an Staaten geht, die weder der EU und NATO angehören und die z.B. die Menschenrechte massiv mit Füssen treten. […] Darüber wird aber – wie man z.B. an den Exporten an Saudi-Arabien und an die Jemen-Allianz sieht – politisch hinweg gegangen. Um diese politischen Spielräume zu beseitigen, fordern wir GRÜNE […] ein restriktives Rüstungsexportkontrollgesetz.”
Die Linke: “DIE LINKE setzt sich für ein gesetzliches Verbot von allen Rüstungsexporten ein. […] Die LINKE wendet sich auch kategorisch gegen Versuche, deutsche Waffenexporte durch die Verlagerung von Teilen der Herstellung und/oder Umdesignierung über Länder wie Frankreich den Restriktionen zu entziehen.”
Frage: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass Deutschland dem Atomwaffenverbotsvertrag beitritt und dafür wirbt, dass auch die atomwaffenbesitzenden Staaten ihm beitreten?
SPD: “[…] Deutschland sollte als Beobachter bei der Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags die Intentionen des Vertrages konstruktiv begleiten. Die SPD setzt sich ein für den Beginn von Verhandlungen zwischen den USA und Russland zur verifizierbaren, vollständigen Abrüstung im substrategischen Bereich mit dem Ziel, die in Europa und in Deutschland stationierten Atomwaffen endlich abzuziehen und zu vernichten.”
Die Grünen: “Ja. […] Er steht aus unserer Sicht nicht im Widerspruch zum Atomwaffensperrvertrag, sondern ergänzt diesen sinnvoll. […] Als ersten Schritt sollte Deutschland als Beobachter an der Vertragsstaatenkonferenz teilnehmen. […] “Global Zero” muss wieder auf die politische Tagesordnung. Das bedeutet, wir brauchen einen Kurswechel in Richtung nuklearer Abrüstung. Wir wissen, dass dies zahlreiche und schwierige Gespräche – auch im NATO-Bündnis – erforderlich macht.”
Die Linke: “Ja. DIE LINKE wird das Ziel, dass die Bundesrepublik Deutschland dem Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) beitritt, […] weiterverfolgen. Zum Inkrafttreten des Vertrags am 22. Januar 2021 hat unsere Bundestagsfraktion diese Forderung in einem Antrag (19/26172) bekräftigt und die Bundesregierung aufgefordert, den Beitritt der Bundesrepublik zum AVV zu erklären und sodann einen Gesetzentwurf vorzulegen, um den Vertrag zu ratifizieren. […]”
Frage: Werden Sie gegen die – derzeit im Verteidigungsministerium vorgeschlagene – Anschaffung von 30 atomwaffenfähigen F-18-Kampfflugzeugen stimmen?
SPD: “Unser Ziel ist und bleibt eine nuklearwaffenfreie Welt. Daher setzt sich die SPD und ihre Bundestagsfraktion für eine sorgfältige Erörterung der technischen nuklearen Teilhabe unter Berücksichtigung aller relevanter Aspekte ein. […] Nach einer umfassenden politischen Debatte werden wir eine Entscheidung gewissenhaft treffen.”
Die Grünen: “[…] Um ein abrüstungspolitisches Signal zu senden, wäre es wichtig, die jetzige Chance zu ergreifen, mit dem Auslaufen des in die Jahre gekommenen Tornado-Modells die technische Seite der nukleare Teilhabe aufzugeben und kein neues Trägersystem für Nuklearwaffen zu beschaffen.[…] Angesichts zunehmender Spannungen zwischen Nuklearmächten braucht es heute Ansätze abseits der nuklearen Abschreckungslogik, um die Welt friedlicher zu machen. Wir lehnen daher die Anschaffung neuer nuklearer Trägersysteme ab.[…]”
Die Linke: “Ja. Die LINKE setzt sich seit ihrer Gründung […] für die Beendigung der nuklearen Teilhabe in der NATO ein. Wir sind der Überzeugung, dass die deutsche Außenpolitik dringend eine grundsätzliche Abwendung von der Doktrin der nuklearen Abschreckung braucht[.] […] Die LINKE lehnt daher auch die Pläne der bisherigen Bundesregierung entschieden ab, von 2025 an bis zu 100 Eurofighter in der Kampfbomber-Ausfertigung, sowie 45 F-18 Kampfflugzeuge aus US-Produktion anzuschaffen, von denen 30 fähig zum Tragen von Atomwaffen sein sollen. […]”
Frage: Ist Ihnen das Konzept “Sicherheit neu denken”, das in der Badischen Landeskirche entwickelt wurde, bekannt und unterstützen Sie es?
SPD: “Das Konzept “Sicherheit neu denken” haben wir mit großem Interesse zur Kenntnis genommen. Zur Prävention und Beilegung von Krisen und Konflikten setzen wir auf das Primat von Diplomatie und Dialog, auf zivile Krisenprävention und Friedensförderung, auf Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie internationale Zusammenarbeit. […]”
Die Grünen: “Ja. […] Das Konzept „Sicherheit neu denken“ ist geeignet, um die Notwendigkeit, mehr für den Ausbau ziviler Konfliktlösungsinstrumente zu leisten, zu verdeutlichen. Wir GRÜNE stimmen nicht mit allen Einschätzungen und Szenarien überein, begrüßen aber, dass mit diesem umfangreichen Konzept ein weiterer wertvoller und über weite Strecken konstruktiver Beitrag in der außen- und sicherheitspolitischen Diskussion hinzugekommen ist.”
Die Linke: “Ja. Die Konzeption ‘Sicherheit neu denken’ ist ein wertvoller Beitrag zur sicherheitspolitischen Debatte in Deutschland […]. Insbesondere das Insistieren auf den unverzichtbaren Grundlagen von nachhaltiger Friedenspolitik […] und das Bestehen auf zivilen Formen der Konfliktprävention und – lösung finden die volle Unterstützung der LINKEN. Ein langfristiges Vorausdenken entlang dieser Linien betrachten wir als wertvollen Beitrag im Kampf um die tagespolitische Glaubwürdigkeit und Wirkungsmacht von Friedenspolitik.[…]”
Frage: Tausende Flüchtlinge ertrinken jährlich im Mittelmeer. Die EU- Grenzschutzagentur Frontex kooperiert mit der libyschen, griechischen und türkischen Küstenwache bei illegalen Pushbacks. Werden Sie sich dafür einsetzen, diese Praxis sofort zu beenden?
SPD: “Pushbacks, also Zurückweisungen Schutzbedürftiger, sind eine eklatante Verletzung des Völkerrechts und unter allen Umständen auszuschließen.”
Die Grünen: “Pushbacks […] müssen rechtlich und politisch geahndet werden. […] Wir unterstützen die europäischen Initiativen, die die strukturellen Probleme beim Menschenrechtsschutz bei den Grenzkontrollen mit strukturellen Veränderungen beheben wollen. Das staatliche und zivilgesellschaftliche Menschenrechtsmonitoring, vor allem durch die EU-Grundrechteagentur, wollen wir ausbauen. Es bedarf einer engen parlamentarischen Kontrolle von Frontex- Einsätzen sowie einer systematischen Menschenrechtsbeobachtung vor Ort.”
Die Linke: “Ja. Das Massensterben an den EU- Außengrenzen ist unerträglich, ebenso die illegalen Pushbacks einiger EU- Länder und die schändliche Zusammenarbeit von FRONTEX und der EU mit Libyen. Wir kritisieren diese Abschottungspolitik deutlich und haben Forderungen für eine offene und menschenrechtsbasierte EU-Asylpolitik in den Bundestag eingebracht (vgl. z.B. Bundestagsdrucksache 19/27831). […]”
Frage: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass Abschiebungen in Länder, in denen Bürgerkrieg oder politische Verfolgung droht, grundsätzlich gestoppt und Geflüchteten aus diesen Ländern eine gesicherte Bleibeperspektive gewährt wird?
SPD: “Ja. Wir halten daran fest, dass Menschen nicht in Länder abgeschoben werden, in denen für sie die Gefahr besteht, Opfer eines Krieges oder eines bewaffneten Konfliktes zu werden. Wir werden keine Menschen in Perspektivlosigkeit und Lebensgefahr abschieben. Wenn eine Ausreise und Rückkehr in die Heimat aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht zu erwarten ist, werden wir über Integration eine Möglichkeit auf einen dauerhaften Aufenthalt bieten. […]”
Die Grünen: “Abschiebungen in Kriegs- und Krisenländer werden wir beenden […]. Wir GRÜNE treten dafür ein, dass es keine Zusammenarbeit mit syrischen Behörden für Abschiebungen geben und die Abschiebepartnerschaft mit Afghanistan beendet wird.Wir wollen, dass es eine Bleibeperspektive für Geduldete gibt und die Regelungen der gesetzlichen Bleiberechtsregelung großzügiger angewandt werden.”
Die Linke: “Ja. DIE LINKE. ist grundsätzlich gegen Abschiebungen, insbesondere lehnen wir Abschiebungen in Kriegs- und Krisenländer kategorisch ab. Stattdessen machen wir uns für eine effektive Bleiberechtsregelung stark, die vor allem humanitären Kriterien folgt. […]”