Clemens Ronnefeldt, der als Friedensreferent beim Internationalen Versöhnungsbund arbeitet, gibt uns in seinem Bericht über diesjährige Münchener Friedenskonferenz nicht nur einen Einblick in die Diskussionsbeiträge, sondern auch einen Überblick über die bisher geleistete Arbeit im Ringen um zivile Konfliktlösungen – durchaus im Kontrast zu den Diskussionen auf der Münchener Sicherheitskonferenz:
Seit 2003 findet jedes Jahr parallel zur Münchner Sicherheitskonferenz eine Internationale Münchner Friedenskonferenz statt, die zivile Konfliktlösungen vorstellt. Seit 2005 moderiere ich das Internationale Forum im Rahmen dieser Konferenz sowie die Diskussion mit den Referent*innen des Forums am jeweils nächsten Tag.
In den letzten Jahren trugen u.a. Prof. Johan Galtung, Prof. Hanne-Margret Birckenbach, Prof. Hans-Peter Dürr (inzwischen verstorben), der ehemalige Außenminister von Costa Rica, Dr. Bernd Niehaus, die Kulturministerin aus Mali, Dr. Aminata Traore sowie zahlreiche weitere prominente Vertreter*innen einer zivilen Konfliktaustragungskultur ihre friedenslogischen Konzepte vor.
Konfliktüberblick
In meiner Einleitung gab ich am Freitag Abend, 16.2.2018, im Rahmen des Internationalen Forums im Alten Rathaus München einen Konflikt-Überblick.
Im Januar 2018 hat das Wissenschaftsgremium der “Weltuntergangsuhr”, dem u.a. 17 Nobelpreisträger angehören, die Uhr auf 2 Minuten vor 12 gestellt.
Damit wird von diesem Gremium die Situation so nahe am Untergang gesehen wie seit dem Zweiten Weltkrieg nur einmal: 1953, als USA und Sowjetunion gewaltige Atomtests durchführten – und im Koreakrieg China und USA sich bekämpften.
Das wissenschaftliche Gremium begründete seine Entscheidung mit den Konflikten um das nordkoreanische Atomprogramm, die Infragestellung des iranischen Atomabkommens durch den US-Präsidenten, die Konflikteskalation zwischen NATO und Russland sowie den Klimawandel.
Mitte Januar 2018 wurden alle Menschen im US-Bundesstaat Hawaii 38 Minuten lang durch einen Raketenalarm in Todesangst versetzt, wenige Tage später erfolgte ein ähnlicher Fehlalarm in Japan.
Wenn die nordkoreanische Führung diesen Hawaii-Fehlalarm so interpretiert hätte, dass die US-Regierung ihre eigenen Leute deswegen in Bunker schickt, um Nordkorea angreifen zu können, hat dann nicht das Risiko bestanden, dass die Machthaber in Nordkorea ihr eigenes Atom- und Raketenprogramm vor der Zerstörung zum Einsatz bringen?
Um Zugeständnisse beim nordkoreanischen Atom- und Raketenprogramm zu machen, bräuchte Kim Jong-un eine Sicherheitsgarantie sowie einen Stopp aller US-Manöver vor Nordkoreas Küste. Kim Jong-un möchte nicht das gleiche Schicksal erleiden wie Saddam Hussein oder Muammar al-Gaddafi.
Mut macht die Verleihung des letztjährigen Friedensnobelpreises an ICAN. 122 Staaten haben sich für das Verbot jeglicher Atomwaffen ausgesprochen. Deutschland war nicht dabei. Deswegen richtete ich von dieser Konferenz den Appell nach Berlin: “Frau Merkel: Unterzeichnen Sie den Atomwaffen-Verbotsantrag und setzen Sie sich statt der geplanten Modernisierung für den Abzug der US-Atomwaffen von deutschem Boden ein!”
Wer einen Blick auf die Rüstungsausgaben 2016 wirft, dem fällt auf, dass die US-Ausgaben etwa dreimal so hoch wie die chinesischen und rund neunmal so hoch wie die russischen Ausgaben waren. Würde Deutschland auf 2% des Bruttosozialproduktes aufrüsten, läge Deutschland etwa gleichauf mit Russland.
Das Buch “Eiszeit” von Gabriele Krone-Schmalz halte ich derzeit für eine politische Pflichtlektüre. Sehr hoffnungsvolle Ost-West-Deeskalations-Ansätze zeigt das breite Bündnis “Neue Entspannungspolitik. Jetzt” auf.
354 Leopard-Panzer haben die letzten deutschen Regierungen an die Türkei geliefert, von denen viele an der völkerrechtwidrigen Syrien-Invasion beteiligt sind. Nicht zum erstenmal in seiner Geschichte wird das kurdische Volk zwischen den Interessen von Großmächten zerrieben – diesmal mit deutscher Hilfe.
Eine Rheinmetall-Tochter auf Sardinien liefert Munition für den Jemenkrieg, der inzwischen mehr Hungernde nach sich zieht als der Syrienkrieg.
Im Gazastreifen droht nach Ansicht des zuständigen UN-Koordinators Matthias Schmale eine Hungersnot, seit die US-Regierung einen Großteil ihrer Zahlungen eingestellt hat. Würden die Manager der deutschen Bank ihre Boni-Zahlungen in Höhe von einer Milliarde Euro an die Menschen in Gaza spenden, könnte sehr viel Leid abgewendet werden.
Wer Rüstung exportiert, schafft Fluchtursachen. “Wann hört dieser Wahnsinn endlich auf?”, fragte ich vor den rund 350 Zuhörerinnen und Zuhörern – und schloss an:
Mut macht die Kampagne “Aufschrei – Stoppt den Waffenexport” und die Tatsache,dass sowohl die geplante Lieferung deutscher Panzer nach Saudi-Arabien als auch der Export einer Panzerfabrik in die Türkei vorerst gestoppt werden konnten.
Ermutigend ist auch, dass die Stadt Köln der internationalen Rüstungsmesse ITEC mit mehr als 100 Ausstellern in diesem Jahr 2018 eine Absage erteilt hat.
Mut macht, dass die Stadt Lahr in Baden-Württemberg die Ansiedlung einer Schweizer Munitionsfabrik auf ihrem Gemeindeland untersagt hat, obwohl dies Gewerbeeinnahmen gebracht hätte.
Ermutigend ist auch die Unterschriftenkampagne “Abrüsten statt Aufrüsten” (www. abruesten.jetzt), die bereits nach kurzer Zeit von mehreren zehntausend Menschen in Deutschland unterzeichnet wurde.
Bundesweit braucht es Konversionsprogramme, um schrittweise Rüstungsbetriebe auf zivile Produktion umzustellen.
Neben der Atomkriegsgefahr stellt auch der Klimawandel den Fortbestand der Menschheit infrage. Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung ihre Klimaziele bis 2020 aufgegeben hat – und Mitverantwortung dafür trägt, dass vor allem auf der südlichen Erdhalbkugel immer mehr Menschen zur Flucht gezwungen sind.
Die Folgen des Lebensstils der nördlichen Erdhalbkugel schlagen inzwischen auf uns selbst zurück, wie die jüngsten Hurrikane und Unwetter sowohl in Nordamerika wie auch in Europa gezeigt haben.
Es ist eine Machtfrage, ob es gelingt, Kohle- und Atomstromsubventionen zu stoppen und das Ausbremsen von erneuerbaren Energien zu beenden.
Automobilkonzerne, Luftfahrtunternehmen und Fleischproduzenten sind von der Politik und von uns Konsumentinnen und Konsumenten so zu reformieren, dass sie endlich zukunftsfähig werden.
Es ist ermutigend, dass Investoren in den letzten Jahren mehr als 5 Billionen US-Dollar aus fossilen Energiekonzernen abgezogen haben.
Mut macht auch der peruanische Bauer Saul Luciano Lliuya, der mit Unterstützung von “Germanwatch” gegen den Konzern RWE vor das Oberlandesgericht in Hamm gezogen ist. Seit Beginn der Industrialisierung ist RWE allein für 0,47 Prozent der weltweiten CO-2-Emissionen verantwortlich. Daher klagt dieser peruanische Bauer einen Erstattungskosten-Anteil von 17.000 Euro ein, weil er zusammen mir rund 100 000 weiteren Personen zum Verlassen seine Heimatstadt wegen einer Gletscherschmelze gezwungen ist.
Allein die Tatsache, dass das Oberlandesgericht die Klage als “zulässig und schlüssig begründet” (Südd. Zeitung, 1.12.2017) angenommen hat, ist ein Hoffnungszeichen, dass endlich die Verursacher von Umweltzerstörungen zur Rechenschaft gezogen werden.
Referate des Internationalen Forums
In diesem Jahr 2018 referierten Nela Porobic Isacovic aus Bosnien-Herzegowina von der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit zum Thema “Friedensarbeit in Bosnien”. Sie machte deutlich, wie wichtig die Verbesserung der sozialen Lage sowohl in der serbischen wie auch in der muslimisch-kroatischen Entität ist. Es drohe die Gefahr, dass die nationalistischen Exzesse weiter zunehmen und damit erneut ein heißer Krieg, der zwischen 1992 und 1995 mitten in Europa mehr als 100 000 Menschen das Leben gekostet hat, Wirklichkeit werden könnte.
Derzeit versuche die EU das Land wirtschaftlich zu dominieren, Russland unterstütze die serbische Entität, die Türkei die Muslime in der muslimisch-kroatischen Entität. Saudi-Arabien versuche, über den Bau von Moscheen und Koranschulen den strengen Wahabismus in Europa zu verbreiten und kaufe Grundstücke im Land in großem Stil auf.
Dr. Franz Alt, Publizist und Bestsellerautor, traf in den letzten Jahren mehrfach den ehemaligen russischen Präsidenten Michail Gorbatschow. Zusammen mit diesem veröffentlichte Franz Alt das Buch mit dem Titel “Kommt endlich zur Vernunft! Nie wieder Krieg”. In München betonte er, wie wichtig gerade in der jetzigen Krisenzeit Initiativen der Friedensbewegung zum Konfliktausgleich mit Russland seien. Durch die Nato-Osterweiterung, die Aufstellung neuer Abwehrraketen der Nato in Polen und die neuen geplanten Nato-Hauptquartiere zur schnelleren Truppenverlegung an die russische Grenze würden Weichen in die falsche Richtung gestellt. Statt dessen bräuchte es Deeskalationsmaßnahmen, neue Abrüstungs- sowie vertrauensbildende Maßnahmen.
Tiffany Easthom, Direktorin Nonviolent Peace Force aus Genf, zeigte Bilder aus der praktischen Friedensarbeit im Sudan, wo Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der NGO “Nonviolent Peace Force” gefährdete Personen begleiten und internationale Präsenz zum Schutz vor Massakern zeigten. Tiffany Easthom arbeitete auch im Libanon, um von dort zivile Initiativen in Syrien wie z.B. die Bildung lokaler Waffenstillstände zu unterstützen.
Leo Hoffmann-Axthelm, Vorstandsmitglied der Friedensnobelpreisträger-Organsiation “ICAN – Internationale Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen” betonte, wie wichtig die Unterschrift der deutschen Regierung unter den UN-Verbotsantrag zur Abschaffung aller Atomwaffen sei, dies aber im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen ist. Die Bevölkerung in Deutschland solle daher den Druck auf die Regierung in diesem Jahr kontinuierlich erhöhen.
Aktuelle Runde und Gebet der Weltreligionen
In einer aktuellen Runde am 17.2.2018 im DGB-Gewerkschaftshaus München stellte der Buchautor und Osteuropa-Experte Reinhard Lauterbach die derzeitige Situation in der Ukraine dar und warb für die Umsetzung des Minsk-2-Abkommens inclusive der Stationierung einer UN-Friedenstruppe.
Marion Küpker, langjährige Koordinatorin der Proteste am letzten deutschen US-Atomwaffenstandort Büchel in der Eifel im Rahmen der Kampagne “Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen” (GAAA), zeigte eindrucksvolle Bilder von gewaltfreien Aktionen der letzten Jahre und lud zu neuen Protesten im Jahr 2018 ein.
Ein Gebet der Weltreligionen am Sonntag, 18.2.2018, mit Gedanken und Gebeten zum Thema “Mein Glaube – Dein Glaube” rundete die diesjährige Internationale Münchner Friedenskonferenz gehaltvoll ab.
siehe auch “Initiative Münchener Sicherheitskonferenz verändern”